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Busan

Ausgeschlafen und fit ziehen wir unsere Koffer in Richtung Stadt, und frühstücken in einem Café. Der Laden ist sehr US-inspiriert, und wir lassen die Hälfte stehen wegen Zuckerschock. Am Bahnhof ist alles erneut leicht zu verstehen und wir warten am Gleis. Die Bahnlinie kommt aus dem Tunnel, über eine Brücke in den erhöhten Bahnhof, und verschwindet wieder im Tunnel, nur 1.800 Meter sind dazwischen. Plötzlich schießt ein Schnellzug, ohne zu halten, mit einem Affenzahn durch. Ich hoffe, es kommt noch einer, damit ich das filmen kann. Es kommt auch einer, aber bis ich das Handy hochgehoben habe und die Kamera-App geöffnet habe, ist er schon wieder weg – es dauert nur etwa 15 Sekunden vom Erscheinen bis zum Verschwinden.

Kurz darauf kommt unser Zug an, mit empörenden 2 Minuten Verspätung. Wir haben für die halbe Stunde nach Busan erste Klasse gebucht, weil der Aufpreis nur ein paar Euro waren.

Was uns dort angekommen zuerst auffällt, ist die Hilfsbereitschaft der Einwohner. Am Bahnhof suche ich auf der koreanischen Navigations-App (Google darf hier keine Navigation anbieten) ein wenig planlos nach dem Hotel, schon kommt eine Mitarbeiterin und bietet sehr freundlich Hilfe an. Wir lassen die Koffer im Hotel, und überlegen vor dem Hotel, wo wir als Erstes hin wollen, und – schwupps – steht wieder eine junge Frau neben uns und fragt, ob wir Hilfe brauchen. Keine Hotelmitarbeiterin, einfach eine Passantin.

Busan ist die zweitgrößte Stadt des Landes, mit 3,5 Millionen Einwohnern ein wenig größer als Madrid. Im Gegensatz zu dem, was wir bisher gesehen haben, ist sie sichtbar weniger wohlhabend, aber Hafenstädte sind ja oft weniger geschniegelt. Trotzdem ist es sehr sauber und auch hier haben wir nie das Gefühl "auf Acht" sein zu müssen oder übers Ohr gehauen zu werden.

Um ein Gefühl für die Stadt zu bekommen, wollen wir als Erstes hoch hinaus, und laufen zum Busan Tower, einem 120 m hohen, wie eine riesige Straßenlaterne aussehenden Aussichtsturm auf einem 70 m hohen Hügel.

Die Koreaner sind gefühlt noch Handy-süchtiger als Deutsche oder Spanier, und die Regierung hat reagiert: Viele Ampeln haben hier nicht nur die normalen Lichter, sondern auch einen Leuchtstreifen am Boden – denn das sieht man auch, wenn man beim Laufen am Handy daddelt.

Durch einen Park geht es zum Tower hoch, der daneben ein traditionelles Teehaus mit Shop und Café hat. Bevor man zum Lift kommt, geht es durch ein wenig Kunst.

Von der Plattform erkennt man, wie groß diese Stadt ist, wobei man nur Teile sieht – die Gegend ist hügelig, und die Häuser schlängeln sich durch die Täler dazwischen. Tatsächlich sind mindestens 2/3 der bebauten Fläche selbst vom Aussichtsturm nicht sichtbar.

Was ich nicht verstehe: Nicht nur ist wie fast an alles Aussichtspunkten weltweit das Glas schmutzig, hier ist auch noch ein Drahtgeflecht im Glas. Ich musste echt nach Stellen suchen, an denen man Bilder ohne Schlieren oder Spiegelungen machen kann, und dann deutlich nachbearbeiten. Und das in Korea, wo Insta-taugliche Fotos machen Volkssport ist!

Der Hafen biegt sich um eine vorgelagerte Insel, und er hat nicht ausreichend Tiefgang für die wirklich großen Schiffe – diese ankern vor der Stadt und werden in kleinere umgeladen oder nutzen andere Häfen wie das nah gelegene Ulsan. Dennoch ist hier ordentlich was los, und es liegen sowohl gewerbliche wie militärische Schiffe an den Docks.

Viele der kleineren Häuser haben minzgrüne Dächer, aber so viele gibt es davon sowieso nicht, Hochhäuser überwiegen.

Auf dem Weg nach unten kommen wir an einem Gras vorbei, dass wie ein Flaschenputzer aussieht, aber ganz feine Fasern hat und sehr fotogen ist.

Wir machen Pause, als wir an einem Massagesalon vorbeikommen. Eine halbstündige Fußmassage kostet hier etwa 20 Euro, das gönnen wir uns. Es stellt sich aber nicht als Entspannungsmassage heraus, grob popelt die sadistische Masseurin mit einem Plastikschaber über Zehen und Unterschenkel, und haut fest zu. Gabi behauptet, das sei notwendig, um die verklebten Faszien zu lösen, ich bin froh, dass das Martyrium keine halbe Stunde dauert.

Nach der Tortur gehen wir zum Jagalchi Fish Market, bestehend aus einer großen mehrstöckigen Halle und Freiluftmarkt in den angrenzenden Straßen – der größte Fischmarkt des Landes. In Aquarien verbringen die Tiere ihre letzten Stunden, und auf Tischen und Körben liegen die bereits geschlachteten.

Das nächste Ziel ist 150 Meter höher gelegen, mit dem Bus geht es über enge und steile Straßen durch in den Hang gebaute kleine, einfache Häuser auf den Pass zum nächsten Tal. Übrigens: die ÖPNV-Karte T-Money gilt landesweit, ist in jedem kleinen Laden erhältlich und man muss sich nicht um Zonen und Ringe kümmern. Eine Busfahrt kostet etwa einen Euro. So einfach kann es gehen, wenn man will. Sogar in vielen Taxis kann man die Karte benutzen.

Busan war im Koreakrieg die einzige nicht besetzte Stadt des Landes, und darum sind hierher viele Flüchtlinge gekommen, die schnell billigen Wohnraum brauchten. In diesem steilen Tal wurden viele untergebracht, und bis vor wenigen Jahren war das arm und Touristen verirrten sich hierher eher nicht. Dann hat der Bürgermeister des Viertels beschlossen, lokale Künstler und Bewohner zusammenzubringen, die Häuser wurden bunt bemalt, das Viertel mit Kunstwerken und Handwerksläden umgestaltet, und in nur einer Dekade ist das Gamcheon cultural village der Topp-Touristenspot der Stadt, jährlich 2 Millionen Besucher schlendern durch die Gassen, shoppen, genießen die Restaurants, und erfreuen sich an dem tollen Ausblick aufs Meer. Progressive Politik wirkt!

Die Sonne sinkt hier noch früher als in Seoul herab, bereits kurz nach fünf ist Sonnenuntergang, also nehmen wir den Bus runter zum Strand. Hier ist schon seit über 100 Jahren Tourismusbetrieb, aber die Meisten der Hochhäuser sind dennoch Wohnhäuser und keine Hotels. In der Bucht schwimmt Nessie, und über das Wasser geht der Songdo Cloud Trail, eine geschwungene und (natürlich mir Farbwechsler) beleuchtete Brücke mit Gitter, um ins Wasser schauen zu können.

Vom Ende der Brücke (oder ist es ein Steg?) blickt man auf die Glasboden-Seilbahn, die über die Bucht spannt, auf die Schiffe weit draußen, und man erkennt eine riesige Fußgängerbrücke zu einem Felsen vor der nächsten Landzunge. Ich glaube, da will ich morgen hin, das sieht sehr interessant aus!

Die Sonne versinkt hinter den Hügeln, und die Lichtinstallationen machen eine magische Stimmung.

Zum Abendessen gibt es in einem Restaurant am Strand eine Makrele und einen Steinfisch für 35.000 Won, das sind ein bisschen über 20 Euro. Wenn man bedenkt, dass ich mir heute Mittag einen Apfel kaufen wollte, und die Marktfrau dafür 5.000 Won wollte, versteht man die Welt nicht mehr.

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