Vorletztes Jahr bin ich das erste Mal einmal rund um Madrid gelaufen, dem Anillo verde folgend. Der "grüne Ring" ist ein über 60 km langer Radweg rund um Madrid, errichtet in den frühen 2000ern. Er verbindet die Stadtviertel mit einem über weite Strecken sehr schönen und grünen Band – wobei wie bereits damals erwähnt der Weg selber meist beige/gelb bemalt ist.
Es ist mal wieder ein langes Wochenende, und die Beste aller Frauen mal wieder in der kalten Heimat. Da könnte man ja mal wieder ein bisschen spazieren gehen!
Wettermässig habe ich Glück, die ganze Woche war für das Wochenende Wolken und Regen angesagt, aber es ist überwiegend sonnig und mit um die 15 Grad auch ganz gutes Wetter zum Laufen.
Etappe 1 – Las Tablas nach El Pozo
Ich starte in Las Tablas beim Kilometer 0, der einen Kreisverkehr rund um die Plakette bildet und einen der reglemässige verteilten Pausenplätze bereitstellt.




Vom eiförmigen BBVA-Hochhaus geht es über die breite Autobahn nach Sanchinarro, wo ich den Radweg schon bei km 1 bereits verlasse. Die Ringautobahn M-40 ist von den Stadtteilen hier durch einen langgezogenen Hügel getrennt, den ich schnell hochlaufe um die Aussicht zu genießen.



Ich durchquere Hortaleza entlang der M-30, und halte für ein Mittagessen in einer Bar. Zu meinem Essen gibt es ein Glas Vermú, der ganz schön reinhaut. Leicht beschwipst geht es über die orange-blaue Brücke nach San Blas Canillejas, wo ich ehe ich mich versehe schon die ersten 10 km abhake.
Es geht auf einen flachen Hügel, auf dem das Stadium von Atlético Madrid steht und wo es – wenn man sich umdreht – einen tollen Blick auf die Berge hat.



Nicht mal die superschlauen künstlichen Intelligenzen konnten mit etwas zu dem Denkmal sagen, aber es sieht nach Revolution aus!
Ich bin heute nicht alleine unterwegs, aber dafür in die falsche Richtung. Mir entgegen kommt ein Strom von Menschen mit rot-weißen Schals, noch mehrere Kilometer südlich des Stadiums sind noch Fussballfans unterwegs. Atlético spielt heute gegen Levante, den Club aus Valencia.
Jahreszeitbedingt wird es schon früh dunkel, als ich die R-3 überquere bin ich von der untergehenden Sonne sehr geblendet. Ich verlasse den Anillo Verde erneut kurzzeitig, um auf der Außenseite der M-40 ein bisschen durch den Park zu laufen.



Die letzten Kilometer ist es schon recht dunkel, und das ist sehr gut so, denn im Parkstreifen zwischen Puente de Vallecas und Vallecas sind die Brunnen schön beleuchtet. Nach 22 km und über 32.000 Schritten komme ich bei El Pozo am Tagesziel an. Öffentlich würde es zum Auto jetzt 80 Minuten dauern mit mehrfachem Umsteigen. Ich bin faul, und nehme ein Taxi zurück.
Etappe 2 – Lago nach El Pozo
Am nächsten Morgen fahre ich wieder in die Stadt, und mache mir mehr Gedanken um den Rückweg. Der zentrale Bahnhof Nuevos Ministerios bietet sich als Startpunkt an, von hier geht eine S-Bahn (Cercanías) nach El Pozo, und vom geplanten Endpunkt geht eine Metro direkt zurück. Dafür ist Parken selbst mit E-Auto schwierig, und so gibt es ein paar Extraschritte bis ich bei der S-Bahn ankomme.
Die Madrider S-Bahn ist im Gegensatz zur Metro schon im Normalzustand nicht mein bester Freund. Heute bockt sie aber mal wieder besonders: Nach 20 Minuten fährt endlich eine Bahn ein – und bleibt aber stehen. Auf der Anzeige steht alle paar Minuten wechselnd die Endhaltestelle "Guadalajara" und dann wieder "Sin Servicio" – Außer Betrieb. Keiner weiß Bescheid, nicht mal die Offiziellen. Die wenigen Lautsprecherdurchsagen sind so blechern, dass nicht mal die Spanier sie verstehen, und nach einer Stunde gebe ich auf. Später lese ich, dass in der Nacht im derzeit in Renovierung befindlichen Bahnhof Chamartín ein Update der Signaltechnik stattgefunden hat, und das hat sich bis Mittags verzögert.
Also Planänderung, ich nehme jetzt die Metro zum Lago, dem kleinen See im Casa de Campo. Statt wie geplant weiter im Uhrzeigersinn von El Pozo die Stadt im Süden zu umrunden geht es halt rückwärts.
Bei schönstem Sonnenschein und flottem Schritt komme ich trotz herbstlicher Temperaturen schnell ins Schwitzen. Mein Ziel ist im Osten, aber es geht erst einmal 4 km Richtung Westen durch den riesigen Park. Die putzigen Mönchssittiche freuen sich über die zahlreichen Eicheln und sind so mit Futtern beschäftigt, dass ich sogar mit dem Handy tatsächlich ein paar Fotos hinbekomme.


In Aluche dreht der Radweg dann um, und es geht entlang eines Stadtparks Richtung Südosten. In einer wilderen Ecke hat ein Aussteiger eine Hütte im Park und einen schönen Garten gepflanzt – sehr schön! Nach der Verspätung habe ich bald Hunger, zum Mittag gibt es Paella und Chopitos, und es war so lecker wie es klingt.




Durch den Stadtteil Carabanchel wird es deutlich urbaner, es geht neben der großen Straße her, aber wenigstens ist es weitläufig und schön hergerichtet. Durch die Umkehr der Etappe ist es verwirrend, aber als ich bei km 30 bin, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich jetzt schon mehr als die Hälfte der Strecke geschafft habe.



Nach den farbigen Skulpturen geht es bald in den nächsten Park, und dann überquere ich den reissenden Strom Manzanares in all seiner Pracht. Danach geht es unter der Hochgeschwindigkeitsstrecke, die Madrid mit Valencia und Sevilla verbindet durch den Tunnel. Auf der anderen Seite geht es wunderschön durch einen Pinienwald, bis ich pünktlich zum Sonnenuntergang El Pozo erreiche.




Inzwischen fahren die Bahnen wieder, wenn auch total überfüllt. Beinahe japanische Verhältnisse, dicht gepresst wie eine Sardine fahre ich zurück in die Innenstadt.
34.000 Schritte verteilen sich heute auf etwa 23 Kilometer.
Etappe 3 – Lago nach Las Tablas
Ich parke wieder am Kilometer 0 in Las Tablas. Einen Kilometer muss ich zur U-Bahn laufen, und in der Stadt noch kurz eine Erledigung machen, sodass ich beim Start (erneut am See im Casa de Campo) bereits 4500 Schritte auf dem Zähler habe.



Ich komme zwar nicht so schnell voran wie die Jogger, die mich die ersten Kilometer begleiten, aber dafür stetig. Die Dreiergruppe ist zwar schnell, aber bleibt alle paar hundert Meter zum Verschnaufen stehen, und dort hole ich sie immer wieder ein. Recht schnell erreiche ich Kilometer 45, dann geht es über die A-6 in einen engeren Streifen Park entlang des Manzanares, den ich dann auf der inzwischen deutlich überdimensionierten alten Steinbrücke überquere.




Das nächste Stück ist das hässlichste, eingequetscht zwischen der M-30 und einer Mauer zum königlichen Golfplatz ist eigentlich kein Platz für Fußgänger. Glücklicherweise ist der Abschnitt kurz, und nach dem Passieren der 50 km-Marke geht es bald in ein Villenviertel in der Biegung der M-30 und dann in ein schickes Neubaugebiet namens Arroyo del Fresno. Unter der Autobahnunterführung ist lustigerweise eine Kirche in die Brücke integriert.




Hier im Park zwischen den Mehrfamilienhäusern ist eine Nachbarschaftsbar, und ich mache Mittagspause. Beim Essen darf ich mit einem kleinen Mädchen mit Schnuller vom Nachbartisch spielen, dass mich aus irgendeinem Grund sehr spannend findet.
Auf dem weiteren Weg verlasse ich den Ring mal wieder und wähle die große Straße durch Montecarmelo – ich habe Lust auf einen Nachtisch, ein Eis würde mir gefallen. Aber hier ist heute nicht viel los, und auf Fabrikeis am Stiel aus dem Supermarkt habe ich keine Lust. Stattdessen finde ich große Protestplakate: Die Stadt will hier einen Umschlagplatz für Müllwägen bauen, als Parkplatz und Zwischenstation für die Entsorgungsbetriebe. Das gefällt den Anwohnern natürlich nicht besonders, und seit Jahren wird protestiert und geklagt.

Durch einen Tunnel unterquere ich die Bahnstrecke nach Norden und bin schon zurück in Las Tablas. Jetzt ist es nicht mehr weit, entlang von Büros und Schulen schlängelt sich der Ring Richtung Ziel.


Offiziell ist der Ring 63.300 Meter lang, aber in Sichtweite des Start/Zielpunktes steht eine Stele mit Anzeige 64 km – ich vermute, dass die Streckenführung sich während des Baus nochmal geändert hat.

Mit schmerzenden Füßen erreiche ich erschöpft, aber glücklich und stolz den Ausgangspunkt, mit 35.000 Schritten und 23 Kilometern habe ich auch die dritte Etappe geschafft! Das Siegerbild ist ein wenig gequält, aber nach (je nachdem ob man Uhr oder Handy traut) knapp unter oder über 100.000 Schritten habe ich Madrid erneut umrundet.

Laut GPX-Datei waren es gesamt 65,7 Kilometer, das ist erstaunlich nah an der angegebenen Länge. Ich bin zufrieden mit mir.

