Zum Inhalt springen

Menschenmassen und Schlange stehen

Um 6 Uhr früh klingelt der Wecker, und wir packen unsere Sachen. Zum Flughafen geht es merkwürdigerweise von der Stadtmitte Busans nur mit Umsteigen und es dauert fast eine Stunde. Deshalb nehmen wir ein Taxi, das geht doppelt so schnell und bequemer – dafür kostet es auch 15 Euro.

Der Flughafen ist auf der anderen Seite des Nak Tong Flusses und gehört eigentlich zu der Nachbarstadt Gimhae, und er ist kein Fünf-Sterne Airport. Das Terminal ist eng und alles ist ein bisschen chaotisch. Die Schlange zur Security windet sich ein paar mal durch die üblichen Absperrbänder, und geht danach noch ein ganzes Stück weiter. Ich hab das mal im Video aufgenommen – sorry, Vertical Video Syndrome!

Es geht aber dann doch schneller als befürchtet, und der Flug geht pünktlich fast auf die Sekunde los. Wir fliegen in einer 270-Grad-Kurve einmal in weitem Bogen um den Flughafen und sehen darum noch mal schön auf die Stadt herab.

Wir waren im Wesentlichen auf der Halbinsel mit der Brücke, und wir sind traurig, die Stadt schon wieder zu verlassen – es war schön hier!

Es geht kurz über das Meer, und schon nach kurzem sieht man die erste japanische Insel Tsushima – nur etwa 50 km vor der koreanischen Küste. Entlang der Nordwestküste geht es dann die Hauptinsel Honshū entlang, auf der bald der Fuji zu sehen ist, glücklicherweise ohne Wolken – aber leider auch ohne Schnee, was für die Jahreszeit sehr ungewöhnlich ist und eine Folge des Klimawandels ist.

Wir fliegen im weiten Bogen oben um Tokio herum, und an der Ostküste zurück, ganz in der Ferne ist der Fujisan (Fuji-Berg, so nennen die Japaner den Berg, nur Ausländer sagen fälschlicherweise Fujiyama) noch zu sehen. Die Küste ist extrem flach, bei einem neuen Tsunami würde hier nichts das Wasser stoppen. Ich würde hier nicht leben wollen, das wäre mir zu gefährlich.

Am Flughafen müssen wir noch ein wenig auf Marc warten, der aus Seoul nachkommt, und mit dem wir jetzt ein paar Tage in Tokio verbringen werden. Wir nutzen die Zeit für unser erstes original japanisches Essen, und es enttäuscht nicht.

Ungünstigerweise haben wir bei der Buchung nicht genug recherchiert, und landen am Flughafen Tokio-Narita. Das ist in etwa wie in München-West (Memmingen) zu landen, und so müssen wir jetzt für den Expresszug zu dritt knapp 80 Euro hinlegen, und fahren über eine Stunde über die Stadt Chiba bis zum Hauptbahnhof in Tokio. Entlang der Strecke wird sehr schnell sichtbar, wie schlimm die Platznot in Zentraljapan ist. Die Häuser stehen dicht an dicht, oft kann man sich wortwörtlich vom Fenster zum Nachbarhaus die Hand reichen, Privatsphäre oder gar Gärten fallen leider aus.

Als wir am Hauptbahnhof ankommen, müssen wir uns erstmal eine Suica-Karte kaufen, das ist wie eine Prepaid-Kreditkarte, die man in vielen Läden, aber auch für den ÖPNV benutzen kann. Nur leider: Das kann man nur mit Bargeld oder japanischen Kreditkarten zahlen. Also zum Bankautomaten, dort dasselbe Problem: Nur japanische Karten werden akzeptiert. Frustration setzt ein, das kann doch nicht sein! Zum Glück ist die Technik fortgeschritten; dank problemlos schon vor dem Flug geklickter E-Sim und ChatGPT erfahren wir, dass die 7-Eleven Stores Bankautomaten haben, die auch für Ausländer Geld ausspucken. Auf dem Weg dorthin sehen wir die ersten Schrulligkeiten der Japaner: Auf der Straße fahren Go-Karts mit Furries (Menschen in Fellkostümen).

Krise abgewendet, wir haben Geld und können uns die Karten holen, und kommen endlich weiter Richtung Hotel. Das Hotel war übrigens heftig teuer, nach langer Suche haben wir ein "billiges" für 160 € pro Nacht gefunden, der Standard ist eher doppelt so hoch.

Auch in Tokio ist Weihnachtsstimmung, Let it Snow und Jingle Bells schallen aus allen Richtungen. Das Hotel ist auf erstem Blick luxuriös, aber die Zimmer sind im Stil der 1980er und schon etwas in die Jahre gekommen. Dafür haben wir schöne Aussicht auf den Tokio Skytree!

Wir machen noch eine Wanderung zum Kiba Park und essen Abend, und lassen den Tag in der Hotelbar im 21. Stock ausklingen, mit Blick auf das blinkende Riesenrad im Kasai-Rinkai-Park.

Hoch über der Stadt

Am Morgen geht es vom Hotelhochhaus mit dem Bus Richtung Norden. Noch mehr als in Korea ist hier alles putzig und mit Manga-Figürchen bemalt, sogar im Bus.

Wir müssen an einem Bahnhof den Bus wechseln, das goldbraune Kunstwerk zwischen Busstation und Straße ist auffällig. Vor unserem Ziel fließt einer der vielen Kanäle, und dieser hat eine schöne Uferpromenade.

Erster Halt auch in Tokio: Nach oben! Der Skytree hat es uns angetan, aber das ist aufwändiger als gedacht. Erst muss man durch ein Labyrinth aus Läden in den vierten oder fünften Stock des Basisgebäudes, dann in einer langen gewundenen Schlange zum Ticketschalter (Online Buchen geht mit einer kryptischen Fehlermeldung nicht). Dann muss man wieder aus der Halle raus, erneut einmal über die Dachterrasse um das Gebäude herumlaufen, auf der anderen Seite durch eine andere Tür wieder rein, und in die nächste Warteschlange. Nach über einer Stunde sind wir endlich am Lift, und im Affenzahn geht es erst einmal 350 Meter nach oben.

Im Sumida River fahren Jetski und Aussichtsboote, und Richtung Westen sieht man zum Kanto-Gebirge. Der 106 Kilometer entfernte Fujisan ist heute leider nicht zu sehen, er ist im Dunst verschwunden. Das wird auch nicht anders, als wir uns erneut 10 Minuten in die Schlange stellen, um zur Galerie auf 450 Meter hochzufahren.

Selbst um wieder herunterzufahren, müssen wir Schlange stehen, erst zurück auf 350 Meter, dann erneut anstellen zum Lift nach unten. Dort wieder durch ein Labyrinth an Läden und den allgegenwärtigen Vending Machines, bis wir endlich unten auf der Straße ankommen.

Ich bin schon ein wenig im Stress, alles blinkt und piepst, Weihnachtsmusik plärrt aus allen Richtungen, überall Menschenmassen und Gedränge, und alles voller kitschiger Manga-Figürchen. Vor allem Mädchen in Kostümchen mit kurzen Röckchen und viel Schminke, teilweise mit Fuchsschwanz unter dem Rock heraushängend. Da ich vor der Manga-Welle aufgewachsen bin, und dazu überhaupt keinen Bezug habe, ist das für mich alles fremd und ich fühle mich alt und spießig ("Wie kann man nur so herumlaufen?").

Nach einem leckeren Mittagessen in einem Ramen-Restaurant erreichen wir den breiten Sumida River bei der Asahi-Brauerei, erkennbar an der 44 Meter langen goldenen Flamme auf dem Dach, die die Flamme des Geistes der Braukunst symbolisieren soll. Der gemeine Volksmund erkennt darin jedoch etwas anderes, und so nennen die Tokioter die Flamme despektierlich das "goldene Häufchen".

Auf der anderen Seite befindet sich der Asakusa-Schrein, ein Shinto-Tempel, dessen Gründungsgeschichte verblüffend ähnlich zur Heiligen unseres Dorfes in Spanien ist: Zwei Fischer finden hier eine Buddha-Statue im Fluss, die immer wieder zu ihnen zurückkehrt. Dort: Hirten finden eine Marienstatue im Fluss, die sie mitnehmen, aber die immer wieder verschwindet und an derselben Stelle in einem Wirbel im Fluss wieder auftaucht. Es scheint so, als ob die Wahnvorstellungen weltweit ähnlich sind!

Um zum Schrein zu kommen, müssen wir durch enge Gassen an kleinen Läden vorbei, viele Frauen sind hier traditionell im Kimono gekleidet. Und selbst modern angezogene Japaner (beiderlei Geschlechts) sind überall auffallend gut gekleidet. Anders als in Europa sieht man wenig Schlabberlook und Jogginghosen oder Leggings, die Mehrheit ist sehr stylisch und geschmackvoll angezogen.

Vor dem Schrein kann man sich Räucherstäbchen kaufen oder direkt am qualmenden Pagödchen inhalieren, das soll Glück bringen und Wünsche erfüllen. Falls das nicht reicht, kann man auch hier Wunschzettel kaufen und beschriftet an eine Wand hängen – das haben wir in Südkorea auch oft gesehen.

Nicht nur die Menschen sind angezogen, sogar die Katzen bekommen hier Jäckchen, und diese sogar eine Windel. Wer jetzt erschöpft ist, kann sich in einer traditionellen Rikscha herumfahren lassen, durchtrainierte Jungs und Mädels finanzieren vermutlich damit ihr Studium.

Menschenmassen

Mit der U-Bahn geht es jetzt ins hippe Shopping- und Ausgehviertel Shibuya, hier fühlt man sich wie in einem ganzjährigen Oktoberfest. Schon in der Station ist Gedrängel, und davor wird man nur noch geschoben. Was der Eiffelturm für Paris ist, ist die Shibuya Crossing für Tokio, eine belebte Kreuzung mit unzähligen Leuchtreklamen und Bildschirmen, die im 90-Sekunden-Takt abwechselnd Autos und Menschen über die Kreuzung lässt. Mit jeder grünen Fußgängerwelle überqueren bis zu 3000 Menschen die Kreuzung, und der Großteil filmt dabei mit dem Handy. Um dort hinzukommen, müssen wir durch einen engen Tunnel, durch eine Baustelle ist der Fußweg auf etwa 3 Meter verengt, und in beiden Richtungen wollen tausende Menschen hindurch.

Dahinter eine Wand an Menschen wie auf der Braustraße am Oktoberfest am Wochenende. Ich schließe mich der Mehrheit an, und filme das Gedränge an der Ampel.

Auf der anderen Seite ist eine Fußgängerzone mit vielen verwinkelten Straßen, teilweise bunt und blinkend und geschniegelt mit den üblichen Verdächtigen (Fastfood, Kaufhäuser), aber auch dunkle und rauere Gässchen mit Restaurants, Pubs und alternativen Shops wie Plattenläden und Rock-Design-Klamotten.

Wir sind ein wenig überfordert mit Reizen und Auswahl und gehen erst in ein British Pub und dann noch in eine japanische Billigbar für Sake und Cocktails.

Auf dem Heimweg ins Hotel entdecken wir, dass die Gegend dort unter dem Meeresspiegel liegt, bei Hochwasser soll man laut Anweisung auf dem Schild mindestens in den dritten Stock (englische Zählweise, nach deutscher in den zweiten Stock) gehen.

Tokio gefällt uns sehr, ich bin auch von den vielen Radfahrern begeistert, aber die Reizüberflutung und die Menschenmassen machen uns allen dreien zu schaffen. Daran muss man sich gewöhnen. Ich bin gespannt auf morgen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert