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Seoraksan National Park

Ich bin nervös, seitdem ich gestern die schönen Berge gesehen habe, freue ich mich wie ein kleines Kind vor Weihnachten auf das Wandern heute – und ich habe Angst, dass ich zu viel Vorfreude habe und enttäuscht werde.

Seoraksan bedeutet etwa "Gebirge der schneebedeckten Gipfel". So winterlich ist es noch nicht, aber bei einer Höhe von über 1700 Metern nur wenige Kilometer vom Meer entfernt sind die Berge durchaus beeindruckend.

Weil es so nah ist, kann man einen Bus zum Visitor Center des Nationalparks nehmen – da wir aber die Busstation nicht auf Anhieb finden, und dafür viele Taxen auf Gäste warten, nehmen wir ein Taxi. Das dauert nur ein paar Minuten und kostet keine 10 Euro.

Am Eingang des Parks wartet ein Bärchen auf die Gäste, aber es ist glücklicherweise Nebensaison und somit nicht überlaufen. Es sind aber trotzdem genug Leute unterwegs, und ich will hier eigentlich nicht in der Hauptsaison in einer langen Schlange die Wege hochlaufen.

Ein wenig enttäuscht bin ich von der breiten gepflasterten, später Asphaltpiste, die ins Tal führt. Ich wollte wandern, nicht auf einer Autobahn laufen. Die wunderschöne Aussicht lenkt aber sowieso vom Weg ab!

Nach einem Kilometer flacher Strecke kommt man zu einem "Dorf" bestehend aus Tempeln, einer Seilbahn, Restaurants, Cafés und Shops sowie einer fast 15 Meter hohen Buddha-Statue.

Danach teilt sich der Weg, nach langem Abwägen habe ich mich gestern für den linken Weg entschieden, denn laut Recherche ist der andere Weg bei Nässe rutschig, und es hat ja gestern Abend geregnet.

Heute ist das Wetter jedoch perfekt, es ist fast wolkenlos, und es hat eine gute Wandertemperatur von 12 Grad.

Überall hier im Tal sind kleine und größere Steinpyramiden, jemand hatte ganz viel Zeit und Geduld! Eine gefällt mir besonders, denn sie sieht aus wie Donald Duck mit in die Stirn geschobener Kappe 😉

Es geht am Fluss Yongcho-cheong entlang durch einen winterlichen, blattarmen Wald mit immer wieder Bambus (siehe Bild oben) als Unterholz. Die Sonne kommt kaum über die Gipfel der steilen Berge hinaus, und die Luft ist aufgrund der Meeresnähe ganz schön diesig. Das führt dazu, dass die Sonne harte Schatten in die Luft malt, das macht eine magische Atmosphäre.

Endlich ist der Weg nicht mehr asphaltiert, jetzt hat man endlich das Gefühl in der Natur zu sein. Also, fast: Eine Stromleitung führt neben dem Weg entlang und auf halbem Weg ist eine Toilettenstation.

Der Anstieg war bisher sehr sanft, aber nun muss es steiler werden, denn unser Ziel ist hier oben in der Felswand, die Geumganggul Cave im Biseondae Rock, die Felswand vor uns.

Auf dem Handyfoto nicht zu erkennen: In der fast senkrechten Felswand ist eine Treppe, die zum Höhleneingang führt – man muss also nicht freeclimben!

Nur wenige Meter weiter die Enttäuschung: Der Weg ist geschlossen, ich entziffere auf dem Bild eine Schließung von 15.11. bis 15.12.

Wir wollen schon mit hängenden Schultern umdrehen, als ich entdecke, dass in dem Häuschen neben der Schranke jemand sitzt. Dank moderner Technik können wir uns verständigen, obwohl der Guard kein Englisch spricht. Die Sperrung gilt nur für den weiteren Weg über die Gipfel zum anderen Ende des Parks. Ddie Schranke steht dort, weil jeder Besucher registriert werden muss – damit niemand verloren geht.

Unsere Registrierung ist die einzige in lateinischen Buchstaben auf der Seite, alles andere sind Koreaner oder Chinesen.

Nachdem wir die Schranke passieren, wird das endlich ein schöner Wanderweg, über eine aus Felsen gebaute Treppe geht es steiler und steiler nach oben, irgendwann sind die einzelnen Stufen kniehoch. Höher und höher kraxeln wir, und der Blick wird immer schöner und mystischer aufgrund der Feuchtigkeit in der Luft.

Schließlich wird die Felswand zu steil, jetzt geht es über die Stahltreppe nach oben, und an der ersten Kehre geht in Seitenpfad über eine kleine Schlucht auf einen vorgelagerten Felsen. Mit offenem Mund und "Wow!" murmelnd blicken wir über das Tal – das ist auf der Top 10 der schönsten Orte, an denen ich jemals war auf jeden Fall mit dabei.

Die Bilder werden dem nicht gerecht, es ist so wunderschön hier, dass mir die Tränen im Auge stehen. Meine Angst, mich zu sehr gefreut zu haben, war unberechtigt. Ich bin überglücklich, dass wir die Möglichkeit haben, heute hier sein zu dürfen. Die Erde ist so schön!

Die letzten Meter zur Höhle geht es gemischt über einfache, aber nicht schwindelfreie Stahltreppen und nicht ganz so einfache Steintreppen.

Oben ruft uns ein Mann entgegen: "Anticlimactic!" – und er hat nicht unrecht. Wir hatten eine Höhle mit einem Tempel darin erwartet, stattdessen wohnt hier tatsächlich jemand, unter der Treppe ist ein Solarpanel und Batterien, am Eingang ein WLAN-Router, und es wirkt ein wenig vermüllt. Der Bewohner ist nicht zu Hause, und die Tür mit einem Schloss verriegelt. Davor liegt der Karton eines höhenverstellbaren Bürotisches, so sehr nach Einsiedler sieht es nicht aus, dafür gibt es eine Spendenbox.

Dafür ist die Aussicht einzigartig, ich lasse mir die Stimmung von dem Miesepeter nicht verderben.

Abwärts ist es nicht wirklich einfacher als aufwärts, das Geländer hilft erst, besonders bei der Stelle, an der eine gebrochene Stufe durch einen mit Seilen befestigten Ast ersetzt wurde. Als die Treppe aufhört, hängt meine mir angetraute Gämse mich knie- und knöchelversehrten Gleichgewichtsgestörten mühelos ab.

Unten am Fluss angekommen treffen wir den Herrn von oben wieder, ein 70-jähriger in Singapur lebender Chinese namens Vincent. Er begleitet uns den Weg nach unten, den er ist alleine unterwegs und freut sich, dass ihm jemand zuhört. Seine Frau kümmert sich um die Enkel, während er lieber reist. Am Buddha angekommen trennen wir uns, er will noch weiter wandern, wir haben jetzt erst mal Hunger.

In einem der Restaurants steht eine Frau am Grill und macht Omelettes mit Meeresfrüchten und einem Gemüse, das wie eine Mischung aus Frühlingszwiebeln und Spargel aussieht (Auf der Karte steht "Green Onions", aber das ist die Googleübersetzung des koreanischen Begriffs). Das sieht so lecker aus, das bestellen wir. Mit Stäbchen ist das gar nicht so leicht zu essen, Gabi wechselt auf Löffel, aber ich will es wissen und ziehe es durch.

Megalecker, und wie immer natürlich mit Kimchi serviert. Als Nachtisch gibt es im Café gegenüber für Gabi einen Icecream Latte und für mich einen Blueberry Banana Smoothie – eigentlich ist es ein Slushie, aber angenehmerweise nicht nachgesüßt.

Wir überlegen, ob wir die andere Route noch laufen wollen, aber ein Blick auf die Uhr und der Hinweis von Vincent, dass das die schwierigere der beiden Routen ist, bringen uns davon ab. Stattdessen nehmen wir faul die Seilbahn auf den Grat gegenüber.

Die Feuchtigkeit ist inzwischen bis hier runter ins Tal gekrochen, und so werfen selbst die Kabel der Seilbahn Schatten in die Luft, das sieht man auch nicht jeden Tag.

Trotz Nebensaison ist die Gondel gut gefüllt – wie gesagt, ich bin heilfroh, dass wir jetzt hier sind und nicht zur Hochsaison – angeblich muss man dann 2-3 Stunden Schlange stehen, um befördert zu werden.

Die Fahrt bringt uns in vier Minuten 700 Meter weiter nach oben, von 850 Metern hat man einen schönen Ausblick auf die Stadt Sokcho und den Ulsanbawi. Der Bawi ("Fels") kam laut Legende während Gott das Gebirge schuf aus der Stadt Ulsan in der Nähe von Busan hierhergelaufen, weil er auch Teil des schönen Gebirges sein wollte. Das Wahrzeichen des Parks ist beeindruckend, es wirkt für mich wie der große Bruder der Kampenwand am Chiemsee. Hier wäre der andere Wanderweg hochgegangen, wenn der Wetterbericht für morgen sich täuschen sollte (Regen, Nebel), dann verlängern wir vermutlich unseren Aufenthalt hier, um das auch noch anzusehen.

Hier oben bläst der Wind frostig, und der Weg liegt schon im Schatten, also fahren wir recht bald wieder runter zur massigen Buddha-Statue, und nehmen nach einem Umweg durch den Souvenirshop das Taxi zurück in die Stadt.

Wir lassen uns auf der Nordseite der Lagune nahe des Leuchtturms absetzen, und gehen am Strand entlang durch den Fischmarkt Richtung der Doppelbrücke über die Verbindung zwischen Lagune und Pazifik.

Eine Doppelbrücke ist notwendig, denn dazwischen liegt noch die Insel Abai mit dem gleichnamigen Fischerdorf darauf, ein gedrängtes Durcheinander kleiner Häuschen, Kais und einem Badestrand direkt neben dem Passagierterminal, an dem gerade die Küstenwache parkt.

Die Wellen sind heute deutlich niedriger als heute Nacht, aber sie brechen sich noch geräuschvoll. Auf der anderen Seite beeindruckt die Bergkulisse, 1700 Meter von Meereshöhe sind halt doch anders als 1700 Meter von 800 Meter wie im Alpenvorland. Lange Schatten in den Himmel werfend geht die Sonne hinter den Bergen unter.

Ich gehe noch ein paar Meter am Hotel vorbei. Der erste Mini-Supermarkt hatte nicht alles, was wir wollten, und so komme ich noch dazu ein bisschen Lichterspiel zu sehen, bevor wir uns zum Abendessen und Ausklingen des Tages in die warme Wohnung zurückziehen.

Was für ein toller Tag, ich hoffe so sehr, dass es morgen noch trocken bleibt, und wir hier noch einen Bonustag dranhängen können. Falls nicht, müssen wir vielleicht doch noch ein zweites Mal nach Korea kommen.

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