Am Morgen ist es noch sonnig, so macht die Fahrt an der Küste entlang Laune! Über eine auffällige, aber einspurige Stahlbrücke überqueren wir den Loch Etive, einen schmaler Fjord, der hier über 30 km ins Landesinnere reicht. Um den Loch Creran müssen wir herumfahren, das ist aber kein so großer Umweg. Dann geht die Straße zurück zum Loch Linnhe, dem großen Meeresarm. Hier schiebt sich der Nordwesten Schottlands nach oben, während der Südosten nach unten wandert. Die Verwerfung geht auf Land bis Inverness weiter, und der See, in dem Nessie angeblich zu Hause ist, liegt auch auf dieser Great Glen Fault.
Auf einer Insel im Linnhe steht eine Burg aus dem 14. Jhdt, das Castle Stalker. Das hat nichts mit aufdringlichen Fans oder Expartnern zu tun, sondern kommt aus dem Gälischen und heißt Jägerburg. Je nach Gezeiten kann man sie per Boot oder zu Fuß erreichen, allerdings ist sie nicht öffentlich zugänglich.



Die Monty Pythons haben hier den heiligen Gral vermutet, und auch der Highlander kam hier vorbei! Die andere Seite des Meeresarms ist kaum erschlossen und ziemlich menschenleer, abgesehen von einer großen Granitmine im Inland. Einzig der Verladehafen ist sichtbar, die eigentliche Glensanda-Mine liegt absichtlich verborgen, um die Aussicht nicht zu verschandeln. Noch über 100 Jahre soll hier Granit geborgen und in die ganze Welt verkauft werden.
20 Minuten Fahrt weiter nördlich zweigt ein weiterer Loch ab, auch hier gibt es eine Brücke. Die nehmen wir aber vorerst nicht, sondern folgen dem Loch Leven und biegen dann in das Glencoe Valley. Die rechte Seite des Tals ist die durch Gletscher vernarbte Flanke des Berges Bidean nam Bian. Obwohl wir praktisch auf Meereshöhe sind, erscheint das sehr hochalpin. Mächtig und steil erheben sich die Hügel wie Berge rechts und links des Tals.


Wir wollten eigentlich in eine der Schluchten aufsteigen, das sogenannte „Hidden Valley“, aber die angesagte Wolkenfront kommt jetzt mit eisig kaltem Wind heran. Außerdem habe ich schlecht geschlafen und bin heute Mimimi, Laut Webseite ist der Trail gar nicht so schwer, aber ich finde viele Ausreden, heute nicht zu wollen. Also fahren wir zurück zur Brücke und fahren bis zum Ende des Linnhe nach Fort William.
Hier geht eine überteuerte Gondel (35 € pro Nase) auf 650 m ins Skigebiet. Damit ist man bereits die halbe Strecke zum Gipfel des höchsten Berges Großbritanniens, des Ben Nevis. Wir sind hart an der Schneegrenze, aber für Skibetrieb ist auch oberhalb viel zu wenig Schnee.





Mehrere Mountainbike-Trails führen hier den Berg herunter, das scheint hier ein wichtiger Sport zu sein. Ein kurzer Pfad führt zu einem kleinen Nebengipfel, dem Sgurr Finniosg-aig. Die Namen werden irgendwie immer unaussprechlicher, ich habe ein paar Leute gefragt, aber es sprach niemand Gälisch und konnte es mir vorsagen.
Man sieht über das Tal, das durch den Great Glen Fault gebildet wird, vom Linnhe links bis zum Loch Lochy (sic!). Daran anschliessend wir dann der Loch Ness folgen, aber dazu kommen wir in ein paar Tagen.



Die Mine hier ist eine Aluminiumerzmine mit Verhüttung und ist angeblich eine der ökologischsten Aluminiumproduzenten weltweit, weil der Strom aus einem Wasserkraftwerk in der Nähe kommt.
Die purpurfarbenen Bäume im Tal sind übrigens Birken, die ohne Blätter eine kräftige Farbe zeigen. Im Gegensatz zu den vorherrschenden Fichten sind diese hier tatsächlich heimisch. Schottland war vor der Besiedlung dicht bewaldet, doch von dem kaledonischen Urwald sind nur noch 4 % übrig. Schiffsbau, aber vor allem Abholzung, um mehr Schafe beherbergen zu können, haben bis zum 19. Jhdt fast alle Bäume vernichtet. Schafe und durch die Ausrottung des Wolfes überhandnehmende Rehe verhindern, dass neue Bäume wachsen können. Heute muss der neu angelegter Wald durch Zäune geschützt werden, und nur langsam wird das Land wieder Fleck für Fleck bewaldet.
Mehrere Gleitschirmflieger wollen hier starten, aber die Windverhältnisse sind schwierig. Der Flieger, mit dem ich mich kurz unterhalte, schafft seinen Start nicht – es ist kalt und nieselig, von Thermik keine Spur.
Sein Kollege hat mehr Glück und kommt weg, aber lange gleiten wird er nicht – die Sinkrate ist beträchtlich.

Ausgekühlt laufen wir zur Bergstation zurück und wollen in der „höchsten Bar des UK“ Mittag machen. Es ist jedoch nicht sehr einladend, sieht eher nach Kantine aus, und so fahren wir herab und setzen die Reise Richtung Westen fort, den Great Glen verlassend.

Die Straße windet sich durch ein Tal von Loch zu Glen zum nächsten Loch. Auf dem Weg rechts halten wir kurz an, Harry-Potter-Fans haben jetzt leuchtende Augen: Der Glenfinnan-Viaduct, eine bogenförmige Eisenbahnbrücke über den Finnan-Bach und das Tal.



Auch hier kommen wir nicht zum Mittagessen, denn für den Parkplatz soll man 5 £ bezahlen. Also schnell die restlichen Kilometer nach Mallaig, dort wollen wir die Fähre nehmen. Da ich nicht wusste, ob wir das heute noch schaffen – wir wollten ja in Glencoe wandern – habe ich nicht reserviert. Ist doch Nebensaison, wird schon klappen … oder auch nicht. Beide Fahrten heute sind voll, die Fähre kann nur 10 Autos mitnehmen. Alternativen: Zurück nach Fort William, den Great Glen hoch, und ein Tal weiter oben zurück über die Brücke. Etwa 200 km Umweg. Oder 24 Stunden warten bis zur morgigen Fähre um 16:00 Uhr. Ich bin unschlüssig, aber Gabi entscheidet, hier zu warten.
Also schließen wir das Auto an eine Ladestation an (Oh Wunder! Es funktioniert ohne Probleme!) und gehen endlich Mittagessen. Das Wetter ist inzwischen typisch schottisch, immer wieder nieselt es kurz, dann kommt wieder die Sonne raus. Der Blick auf die Isle of Rúm und unser nächstes Ziel, die Isle of Skye ist entspannend.



Hotels sind hier deutlich hochpreisiger und wegen Nebensaison spärlich. Über 100 Pfund kostet uns die Übernachtung im Nachbarort Morar. Wir drehen noch eine kleine Runde, mit Blick auf den Loch Morar bis die Sonne sich hinter der Isle of Rúm zur Ruhe begibt.




Gabi ist nicht mehr ins Pub zu bewegen, aber ich will die Kombo nicht brechen und gehe noch kurz in die Hotelbar. Whisky des Tages: Famous Grouse. Im Gegensatz zu den vorherigen ist das enttäuschend: geschmacklich farblos, langweiliger Geruch und eine Spur seifig. Zum Herunterspülen hilft ein Strongbow, das den beleidigten Rachen wieder beruhigt.