Unterwegs

Immer auf der Suche nach dem noch nicht Gesehenem

Loch to Loch, Glen to Glen

In der Nacht wache ich auf, weil auch in diesem Hotel die Zimmer vollkommen überheizt sind. Ich öffne das Fenster und es regnet. Ist das gute Wetter etwa schon vorbei? Weit gefehlt, als wir morgens aufwachen, ist es fast wolkenlos, aber dafür sind die Hügel wunderschön gezuckert!

Es geht wieder zurück zum Loch Lomond, und nach kurzem müssen wir bereits anhalten und uns umkucken. Friedlich und in vollkommener Stille liegt der See zwischen den schneebedeckten Hügeln und ist so tiefblau wie ein Saphir.

Er wird schmaler und schmaler, und dann geht die Straße am Glen Falloch, dem vom Norden speisenden Bach entlang.

Falls of Falloch

Vom Parkplatz geht es vielleicht 200 m durch den Wald, hier in der Schlucht ist es noch schattig und kühl, und ich verstehe, warum die Schotten Geschichten von Feen und Trollen erzählen. Die Stimmung ist mystisch und geheimnisvoll, auch ohne Nebel und Halblicht.

Die Fälle sind sicherlich nicht die beworbenen 10 Meter hoch, aber trotzdem definitiv den Stopp wert. Ein stählerner Schlauchkäfig erlaubt auch bei nassem und glitschigem Untergrund sicheres Betrachten des Wasserfalls.

In Crianlarich wenige Kilometer weiter ist eine Schnellladestation, aber nach längerem Herumprobieren erfahren wir durch einen Anruf beim Betreiber, dass die Station defekt ist. Im weiten Umkreis sind nur niederstromige Alternativen, aber es hilft doch nichts. Auf dem Weg zur nächsten Station kommen wir scheinbar durch Schwaben – hier ist Kehrwoche! Nicht nur auf der Straße ist eine Baustelle nach der anderen, auch an der Bahnstrecke wird repariert.

Die Ladestation bekommen wir auch wieder nur durch einen Anruf beim Betreiber zum Laufen – „technische Probleme“. So ein E-Auto ist ja nun wirklich eine feine Sache, aber die Ladeinfrastruktur ist Musterbeispiel für Unterregulierung: Wenn die Hälfte aller Tankstellen kaputt wäre, und man für jede eine andere App braucht, bei der man seine Kreditkartendaten eingeben muss, dann würden die Autofahrer rebellieren. Warum lassen wir uns das bei Stromtankstellen gefallen?

Bridge of Orchy

Jedenfalls müssen wir jetzt mindestens zwei Stunden bleiben, um ausreichend Strom im Tank zu haben, um heute nicht liegenzubleiben. Gut, dass hier ein Fernwanderweg, der West Highland Way vorbeigeht. Es geht über die schöne Steinbrücke über den Glen Orchy, durch ein kurzes Stück Wald und dann den gegenüberliegenden Hügel hinauf.

Es ist auch auf dem Weg teilweise moosig und feucht, aber man kommt gut voran. Mit offenen Mündern und leuchtenden Augen wandern wir ein wenig den Hügel nach oben und machen dann eine kurze Pause mit Blick auf das Tal und sehen schon zum nächsten Loch, dem Loch Tulla.

Nach einem kurzen Ratsch mit einer netten Wanderin geht es zurück zum Bridge of Orchy Hotel, wo wir lecker Mittag essen. Ich erzähle dem ungarischen Kellner, dass unten am Fluss eine Frau barfuß durch den Orchy läuft. Er schüttelt den Kopf – „must be one of them crazy Scots!“

Mit 20 % mehr Ladung – wenigstens war das gratis – geht es wieder zurück zur A85, und rechts ab Richtung Westen. Während wir auf dem Weg dorthin wieder an den Baustellenampeln auf den Gegenverkehr warten, überholt uns der ScotRail Zug, der sich hier am Rand der Hügel über schöne Steinbrücken die Steigung hochkämpft. Das wäre sicherlich auch mal eine schöne Erfahrung, hier mit dem Zug durchzufahren.

Kilchurn Castle

Durch wunderschöne Täler geht es westwärts zum Loch Awe. Vom Parkplatz läuft man 10 Minuten unter der Eisenbahnbrücke durch und dann durchs Moor zur Ruine der am See gelegenen Kilchurn-Burg. Highland Cows grasen im Moos, und Gabi ist entzückt von den Kühen mit bad hair day.

Die Ruine selbst ist abgesperrt und nicht zu besichtigen, der Zahn der Zeit nagt und die Mauern neigen sich stellenweise schon bedenklich. Das ändert aber nichts daran, dass die Burg imposant vor den gezuckerten Wänden und dem tiefblauen Wasser in den weißblauen Himmel ragt.

Am Südufer zelten ein paar Fischer, und am Nordufer wohnt es sich ein wenig herrschaftlicher. Ein Manor House neben dem anderen reiht sich am Ufer entlang, ein paar Leuten ging es hier in den letzten Jahrhunderten nicht ganz so schlecht.

St. Conan's Kirk

Ein kleines Stück weiter steht eine eigenwillige Kapelle. Tiefgläubig wie ich bin, latsche ich einfach hindurch, mich interessiert die Terrasse dahinter mit dem Blick über den See und zurück zur Burg. Zum wiederholten Mal heute murmele ich „Diese Farben!“ vor mich hin – es ist unglaublich, wie kräftig die Farben sind, als hätte jemand in der Bildbearbeitung den Sättigungsregler zu weit aufgedreht.

Direkt danach kommen wir an einem Pumpspeicherkraftwerk vorbei. Durch einen Tunnel wird das Seewasser hier wahlweise in das oder von dem Loch 350 Meter in ein Staubecken am Hang des Ben Cruachan geleitet. Während wir uns die Ausstellung ansehen und einen Kuchen essen, zahlen wir das erste Mal für die Befüllung des Tanks. £2,40 kosten uns weitere 20 %, auf etwa 200 Kilometer ist das kein schlechter Gesamtpreis. Andererseits, dass wir an zwei Tagen mit Mühe und Not 200 km weit gekommen sind, zeigt nur, dass Großbritannien gar nicht so groß ist – die Verkehrsinfrastruktur ist einfach nur schlecht! Aber das haben wir ja schon beim letzten Besuch gelernt.

Oban

Am Abend erreichen wir Oban am Firth of Lorn, also nicht an einem Loch, sondern tatsächlich am Meer gelegen. Schon seit der Steinzeit ist die kleine Bucht bewohnt, doch erst als am Ende des 18. Jhdt eine Distillery gebaut wurde, wurde daraus eine größere Siedlung.

In der Nähe ist eine RAF Base, was wir heute Vormittag schon bemerkt hatten, als ein Kampfjet im Tiefflug dicht über uns durch das Tal geschossen ist.

Neben der Oban Distillery ist die auffälligste Sehenswürdigkeit der McCaig's Tower. An ein Kolosseum erinnernd steht das unvollendete Denkmal des reichen Bänkers auf dem Hügel oberhalb der Distillery und der Innenstadt. Der Aufstieg geht recht schnell, und die Aussicht ist bei dem strahlenden Wetter sehr weit.

Als wir durch den Ort mit den schönen Häusern wieder absteigen, senkt sich die Sonne hinter den beiden Inseln Isle of Kerrera und Isle of Mull.

Nachdem die erste Pub-Wahl kein Essen anbietet, wählen wir das Pub unten im Hotel aus. Die Portionen sind sehr übersichtlich, wir verstehen nicht, warum es hier so rammelvoll ist.

Der Whisky des Tages ist heute ein Glendronach. Für einen Speyside Whisky erstaunlich torfig, aber noch weit im Bereich des guten Geschmacks.

Ein weiterer, wirklich gelungener Tag! Morgen soll es wolkig werden, aber ich habe da einen Plan, damit das nicht so schlimm ins Gewicht fällt. Mal sehen, ob es klappt …

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