Unterwegs

Immer auf der Suche nach dem noch nicht Gesehenem

Big Finale: Edinburgh

Im Frühtau ziehen wir erst mal zu Berge: 250 Meter geht es schwupps hoch auf den Arthur's Seat. Die Einsamkeit ist definitiv vorbei, hier geht es zu wie am Mount Everest. Die Masse schnürlt sich auf den Hauptweg, rechts und links auf kleineren Wegen rennen die Sportler teilweise halbnackt an uns vorbei.

Der auffällige Hügel im Hollyrood Park ist wie der Englische Garten in München das Hauptausflugsziel der Einheimischen wie der (massenhaft vorhandenen) Touristen.

Je weiter wir hochkommen, desto heftiger bläst der Wind. Beim Foto schießen bläst es mir das Handy beinahe aus der Hand, aber die SchottInnen sind hart. Unten am Berg läuft ein junger Vater mit dem Kinderwagen oben ohne in Shorts, hier oben steht eine junge Frau im flimsigen T-Shirt, andere tragen kurze Röcke. Es hat zwar 13 Grad und fast wolkenlosen Himmel, aber der Wind ist frostig.

Nach dem Hauptgipfel gilt es noch den Nebengipfel zu erklimmen, aber das ist keine sportliche Leistung mehr. Von hier steigen wir auf der Rückseite wieder neben den Ginster-Wäldern ab und umrunden den Berg an der Basis. Alle Zeichen sind auf Frühling, die Bäume und Sträucher haben fast alle die Knospen schon bereit, in ein paar Wochen wird es hier vermutlich nicht nur Gelb und Grün als Hauptfarben geben.

An einem Parkteich ist der Frühling besonders auffällig: Ein Schwan buhlt voller Testosteron um ein Weibchen und ist dabei typisch junger Bulle – aggressiv und rücksichtslos setzt er sich ins Zentrum. Mehrfach geht es im Kreis balzend, schwimmend und fliegend hinter ihr her, quer durch alle anderen anwesenden Vögel.

Das wiederum macht alle anderen Vögel kirre, die Gänse schnarren die Enten an, die Möwe legt sich mit dem Graureiher an, es ist helle Aufregung am Weiher!

Auf dem Rückweg kommen wir direkt am schottischen Parlament vorbei, das architektonisch nicht uninteressant ist. Holyrood hat eine schöne Mischung aus Alt und Neu.

Danach geht es in die Altstadt, die Royal Mile ist touristischer Mittelpunkt. Vom Edinburgh Castle geht es dann zum Grassmarket Square und in die Victoria Street. Letztere verkauft sich als Vorlage für die Diagon Alley in Harry Potter und besteht wie die Royal Mile eigentlich nur aus Touristenläden.

Die Hütchen auf den Statuen sind ein running gag aus den 80er Jahren, ursprünglich aus Glasgow als Anti-Establishment-Kunst, gehört aber inzwischen zum touristischen Establishment und gilt als Wahrzeichen Schottlands.

Am Abend geht es noch ein letztes Mal ins Pub, heute wird erst der Mortlach 12 years probiert (klassisch Speyside, lecker!), und dann noch ein Auchentochan 12 years. Zweiterer ist aus den Lowlands und schon leicht torfig, aber noch angenehm.

Am nächsten Morgen haben wir noch Zeit für einen kurzen Ausflug, ich will eigentlich auf den North Berwick Law, einen sehr auffälligen Hügel 40 km östlich. Den haben wir gestern vom Arthur's Seat aus gesehen, 186 Meter hoch, recht nah an der Küste. Das wird zeitlich zu knapp, also biegen wir 15 km vorher links ab.

Bei Aberlady ist eine Nature Reserve mit Wanderweg, über eine Holzbrücke geht es über das Watt und dann durch Strandhafer-Wiesen, bis man nach zwei Kilometern am Strand mit Dünen ankommt. Es fühlt sich sehr nach deutscher Küste an.

Anschließend geht es zum Flughafen, der Angestellte fragt, wie es mit dem Laden des Autos funktioniert hat. Ich bestätige das, was wohl alle Kunden ihm sagen: ChargePlace Scotland, der Platzhirsch, ist Mist. Marktanteil über Qualität, aber so geht das Business in stark wachsenden Märkten halt. Erst Markt erobern, und wenn man die Konkurrenz auf Abstand gebracht hat, dann kann man dafür sorgen, dass das Produkt auch funktioniert. Wir haben acht Mal die Hotline bemühen müssen, um die Ladesäulen in Betrieb zu bekommen. Und es lag nicht daran, dass wir zu blöd waren.

Dennoch: E-Auto ist auch bei langen Fahrten in abgelegeneren Orten in Europa kein Problem mehr, und wer einmal ein E-Auto gefahren ist, will keinen Verbrenner mehr.

Fazit der Reise: Schottland ist wunderschön, März war die perfekte Reisezeit. Das Wetter – wir sind nicht einmal nass geworden, die wenigen Male, an denen es geregnet hat, waren wir im Auto oder im Bett – war perfekt. Es war noch nicht alles überrannt, im Sommer ist es vor allem auf den single track roads anstrengender.

Zwei Wochen sind lange – aber nicht, weil es nicht genug zu sehen gäbe. Wir haben schlicht Heißhunger auf Obst und Gemüse. Oder anders ausgedrückt: Learning der Reise ist, mehr Obst und Gemüse zu essen sowie weniger Alkohol zu trinken.

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