Unterwegs

Immer auf der Suche nach dem noch nicht Gesehenem

Diese Farben!

Auf Skye ist noch nicht Saison. Fast alles hat noch geschlossen, aber neben dem Supermarkt ist schon ein Foodtruck offen. Beim Frühstücken kommen wir mit einem lustigen Mann ins Gespräch, er trägt kurze Hosen und lange Strümpfe. Ich sage zu ihm: „Ihr Schotten seid hart drauf“, aber er ist Ire und spielt empört. Wir wünschen ihm „Happy Paddy!“ und sind entsetzt, dass er nichts Grünes trägt. „Kommt noch, bin noch nicht wach, gleich ziehe ich mich um und fange an zu trinken“.

Es ist faszinierend, schon auf dem Mainland sind uns viele Menschen mit kurzen Hosen / Röcken aufgefallen, aber hier auf Skye ist es extrem. Nachts hat es 2 Grad, tagsüber 10 … am Abend erzählt unsere Landlady uns, dass ihr Mann gar keine langen Hosen besitzt. Schotten scheinen eine andere Rasse zu sein.

Wir verlassen Broadford und fahren die Küstenstraße Richtung Norden, nach ein paar Kilometern schlingelt sie sich um eine Bucht.

Unser erstes Ziel ist eine alte Steinbrücke bei dem Ort Sligachan, mit Blick auf das Cuillin-Gebirge. Das sind tatsächlich Berge, der höchste ist der Sgùrr Alasdair mit 992 m, die Gipfel auf dem Bild sind nur ein wenig niedriger. Die Statue zeigt zwei Geologen und Bergmänner, die das Gebirge vermessen hatten.

Hier verlassen wir die Hauptstraße, es geht nun einspurig weiter. Glücklicherweise ist wie zuvor erwähnt Nebensaison, und so kommen wir flott voran. Im Sommer muss das die Hölle sein, vorkämpfen von Ausweichstelle zu Ausweichstelle. Die Piste führt um die Berge herum auf die andere Seite an die Flanke eines weiten Tals. Man sieht einen Pfad, der sich die andere Seite heraufwindet bis zum Fuß der Felswände. Neben dem Pfad fließt der Allt Coir’ a’ Mhadaidh über die Basaltlandschaft und hat vor allem im Mittelteil mehrere Pools gegraben. Lauter kleine Wasserfälle leiten das Wasser von einem Pool zum nächsten, und um das Ganze noch schmissiger zu machen, wurden sie „Fairy Pools“ genannt. Der Ire von heute Morgen meinte, das wäre die Anfahrt nicht wert – ich muss widersprechen. Ja, das ist nicht der Grand Canyon, aber alleine die Wanderung auf die Felswände zu ist schon ein Erlebnis.

Das Wasser ist so faszinierend klar, so ganz anders als das kalkige Wasser in der Guadarrama oder den Alpen. Wenn die Sonne durch die Wolken bricht, sind die Pools so grell türkis, man reibt sich die Augen und fragt sich, ob das real ist. Immer mehr Besucher kehren um, aber mich treibt es weiter und weiter. Ich muss wissen, wo der Bach herkommt, er scheint aus dem Nichts einfach aufzutauchen. Der Weg wird matschiger, und immer öfter muss man über Seitenbäche trippeln. Fast am Fuß der Felswand angekommen lüftet sich das Geheimnis: Da geht schräg noch ein Tal weiter nach oben, und dort kommt das Wasser her. Jetzt muss auch ich umkehren, Gabi wartet sicher schon am Auto, und meine Schuhe sind für die Schlammschlacht nicht geeignet.

Beschwingt von der tollen Aussicht hüpfe ich zurück zum Parkplatz, und wir fahren weiter Richtung Portree, nicht ohne am Weg noch einen Fotostopp zu machen.

Die größte Stadt der Insel mit 2.300 Einwohnern hat so viele Restaurants, wir haben tatsächlich eine Auswahl!

Nördlich der Stadt befindet sich eine von einem langen Gebirgszug in zwei Hälften getrennte Halbinsel namens Trotternish. Wir sind auf der Ostseite, die durch eine imposante Abbruchkante charakterisiert ist. Bereits vor Portree ist das Wahrzeichen der Insel zu sehen, der Old Man of Storr. Die wie ein Finger in die Höhe zeigende Felsnadel ist 48 Meter hoch und sehr auffallend und ikonisch.

Durch die Abbruchkante regnen die Wolken hier viel ab, und alle paar Meter kommt ein Bach herab. Wasserfälle werden hier im Dutzend verkauft, zusammen mit steilen Klippen und dramatischen Felsformationen. Über das Meer sieht man jetzt wieder zum Mainland rüber, und die Sonne kommt immer öfter hervor.

Kurz vor Staffin liegt ein See, der Loch Mealt. Er reicht bis fast an die Klippen und entwässert sich mittels des Kilt Rock Wasserfalls herab ins Meer.

Kurz darauf hört man schon von Weitem die Staffin Bay, die Wellen lassen die Kiesel knirschen, das beruhigende Geräusch ist auf dieser leisen Insel kilometerweit zu hören. Am Südende der Bay ist ein Sandstrand und daneben Basaltsteine. 15 Dinosaurier-Fußabdrücke sind hier zu finden, ich bin skeptisch, aber es scheint wissenschaftlich abgesichert zu sein. Der geneigte Leser möge sich selbst ein Bild machen:

Die Wolken verschwinden immer mehr, die Jacke bleibt im Auto, und ich vermisse eine Sonnenbrille. So hatte ich mir Schottland nicht vorgestellt!

Ein Blick auf die Uhr zeigt: Die Route am Quiraing (Ich lerne: Das spricht man Ka-Räng aus) auf der anderen Seite der Bucht, die mit zwei Stunden ausgeschrieben ist, schaffen wir vor Sonnenuntergang nicht mehr. Also fahren wir früh zum Bed & Breakfast inmitten der schiefen Ebene zwischen Staffin und der Abbruchkante. Die muhenden Highland-Kühe verraten der Landlady, dass die ersten Gäste des Jahres angekommen sind. Picobello ist entsprechend unser Zimmer; und so liebevoll hergerichtet. Eine klare Empfehlung: Das An Cnoc Bed & Breakfast.

Wir erhalten den Tipp, den Schildern zum „Columba 1400“ zu folgen und dahinter den Wanderweg zu nehmen. Man läuft 300 Meter zur Kante der Klippen hoch und hat eine spektakuläre Aussicht – und Besuch von einer Schafherde, die Weibchen brav von den behörnten Kerlen getrennt.

Dramatisch geht die Sonne hinter dem Quiraing unter, und wir laufen zurück. Das Columba ist nach dem schottischen St. Patrick benannt, einem Missionar, der den Nordleuten einen vom Bären und vom Jesus erzählt hat, und Kirche, Community Center und Café in einem. Es sind Gäste hier, aber es ist eine private Veranstaltung. Wir fragen nach geöffneten Restaurants, und der nette Herr am Tresen ruft bei den wenigen Kandidaten an: Morgen ist Saisonstart, heute noch alles zu. Aber: Es ist noch Chicken Curry übrig, ob wir was haben wollen? Wir dürfen uns auch hier niederlassen und bezahlen am Ende nur die Getränke. Ich habe es schon mal erwähnt die Tage: Die Leute hier sind wahnsinnig freundlich.

Zurück im B&B fehlt nur noch eine Sache: Der Whisky des Tages, und auch die Pubs haben alle noch geschlossen. Doch die Landlady hat auch hier eine Lösung parat und schickt ihren Mann mit zwei Drams. Der Mann hat Geschmack und serviert einen Speyside Whisky, einen Glen Moray. Geruch erstklassig, im Geschmack fehlt mir ein wenig die Tiefe, aber Meckern auf hohem Niveau. Die Distillery kommt auf die Besuchsliste.

Ach ja, auch heute wieder sternenklarer Himmel. Crazy!

Sirius und der untere Teil des Sternbilds Orion sind sogar auf dem Handyschnappschuss klar zu erkennen.

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