Unterwegs

Immer auf der Suche nach dem noch nicht Gesehenem

Harris and Lewis

Preiset den Einrichter unseres B&B! Ein vernünftiges Bett! Platz! Wohl geruht und fit wachen wir auf. Stornoway Bed & Breakfast kann man empfehlen, nette Landlady, zentral gelegen und vernünftige Matratzen. Die nette Frau schmeißt den Laden, und hier auf der Insel fällt es mir noch viel mehr auf als anderswo, auch wenn es fast überall stimmt. The women work hard, the men drink hard. Und wie ich nachher am Friedhof nachprüfen kann, auf fast jedem Grabstein lebt die Frau mindestens 10 Jahre länger als der Mann, weil die Machos sich früh ins Grab saufen.

In Stornoway besuchen wir noch das Lews Castle (von außen) und laufen durch die Castle Gardens. Heute ist das Wetter anders, am Morgen wolkenlos, tagsüber zieht es immer wieder zu, und am Abend wieder alles frei.

Wo die Grenze zu Harris, dem Südteil der Insel ist, muss man kaum markieren. Schlagartig wird es gebirgig, und es geht hoch auf einen Pass, der hochalpin wirkt, obwohl es vermutlich nicht auf mehr als 200 m hochgeht.

Hinter Tarbert geht es auf eine etwa 200 qkm große Halbinsel, ebenfalls bergig, aber nicht ganz so alpin. Die Straße wird wieder single-track, aber weil Nebensaison ist, ist das kein Problem. Solange alle vorsichtig fahren und vor uneinsichtigen Kuppen bremsen … einmal ist es recht knapp, weil es jemand eilig hat, 9 feet under zu kommen.

Die meisten fahren aber vernünftig, und wie gesagt, ist ohnehin fast nichts los. In Harris gibt es keine Stadt, nicht einmal ein großes Dorf. Selbst Tarbert, das „Hauptdorf“, ist winzig. Wir fahren an der Südostküste nach unten, die enge Straße windet sich um die Felsen, und wir brauchen für die 15 km Luftlinie bestimmt eine Stunde.

An der Ecke der Insel haben die McLeods Anfang der 1500er eine Grabkirche erbaut, die fast 400 Jahre nur per Schiff zu erreichen war, bis die Straße, die wir hierher genommen haben, 1897 gebaut wurde. Viele der Grabsteine rund um die Rodel Church sind für die Clansmänner, aber auch andere Namen stehen hier.

Auf unserer Umrundung der Halbinsel im Uhrzeigersinn geht es ab hier schneller, die Straße ist hier immer wieder einmal zweispurig. Und auch die Landschaft ändert sich, sie wird sanfter, weniger kantig und felsig. Und wenn es nicht so weit im Norden läge, dann wäre hier ein Hotelkomplex neben dem anderen.

Warum? Darum:

Lange weiße Sandstrände, türkises, kristallklares Wasser, knallgrüne Wiesen. Nur das Wasser – Gabi hat das mal getestet – ist nordisch kalt. Dafür gibt es auch hier wie überall in Schottland einen Golfplatz. Wer hat’s erfunden? Die Schotten! (Zumindest die moderne Variante)

Zwei riesige Strände an Fjorden und mehrere kleinere Sandstrände bestimmen die nordwestliche Küste, idyllisch und einladend, nur halt leider so sehr zum Strandurlaub geeignet wie die deutsche Nordseeküste im Januar.

In Luskentyre ist ein besonders schönes Strandeck, auf dem Weg vom Parkplatz zum Strand stehen zwei der putzigen Highland cows mit der jugendlichen „Kannst Du so überhaupt noch was sehen, Junge?“-Frisur.

Nach der Umrundung der Halbinsel haben wir noch ausreichend Zeit, bis die Fähre um 15:15 Check-in hat, und so nehmen wir noch die Stichstraße an der Ostspitze. Dort ist eine Exhibition von Harris Tweed, der handgewebte Schafwoll-Stoff von der Insel. Leider ist auch das geschlossen, aber irgendeine Fabrik hier hat geöffnet. Dicke Rauchwolken steigen hier hoch in den Himmel und ziehen kilometerweit über das Meer. Auch von der Fähre werden wir das später noch einmal sehen. Manchmal frage ich mich, wie lange es noch dauert, bis wir Menschen es nicht mehr ganz normal finden, uns wie Wildschweine aufzuführen. Alles, was auf dieser Welt herumliegt, nehmen wir uns skrupellos und unseren Dreck verstreuen wir einfach überall, ohne uns deswegen auch nur schlecht zu fühlen. Ich nehme mich da selbst nicht aus, aber das hier ist schon krank. Wie kann man auf den Gedanken kommen, dass eine kilometerlange stinkende braune Rauchwolke ganz normal ist?

Am Hafen sehen wir mehrere Möwen, die den Auffahrtsplatz zur Fähre kreativ nutzen. Sie nehmen sich Muscheln, fliegen senkrecht nach oben, und lassen sie aus 10 oder 20 Metern Höhe auf den Asphalt fallen. Im Gegensatz zu Felsen muss man die so geöffnete Muschel danach nicht mühsam aus den Zwischenräumen der Felsen heraus klauben. Kluge Vögel! Wir haben auf dem Mainland schon einmal auf einem Dock viele Muschelschalen gefunden und so etwas vermutet. Jetzt sehen wir es live.

Nach einem einminütigen Spaziergang haben wir alle Geschäfte der High Street in Talbert gesehen, ich frage mich, wo die Menschen in Harris einkaufen gehen. Außer Krämerläden haben wir hier nirgendwo einen Laden gesehen, wo man Möbel, Bauwaren, Elektronik oder sonst etwas, was nicht Lebensmittel ist, einkaufen kann.

Die Fähre (MV Clansmen) kommt pünktlich an und wir setzen wieder nach Skye über. Auch heute sind alle 32 Seemänner anwesend!

Aus dem Zeitraffervideo habe ich in der Mitte 25 Sekunden rausgeschnitten, während wir auf der Hinfahrt das Ziel immer im Blick hatten, ist es heute so diesig, dass wir eine Stunde lang kein Land gesehen haben.

Darum fahren wir über Skye heute auch ohne (außer kurz beim co-op Supermarkt) stehenzubleiben. Die Aussicht ist einfach nicht so interessant wie vorgestern.

Unser Hotel ist direkt an der Skye-Brücke, die die Insel mit dem Mainland verbindet. Dort werden wir morgen drüberfahren, heute geht es nur kurz zum Hafen von Kyleakin um Abend zu essen. Und natürlich den Whisky des Tages zu probieren. Heute ist ein weiterer Speyside auf dem Programm, ein Benromach. Trotz der Herkunft ist er ziemlich torfig, ich bin verwundert.

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