…24 little hours – so sang Dinah Washington, und das kreist mir heute durch den Kopf. Um zwei Uhr nachts kann ich endlich einschlafen in dem brühend heißen Zimmer unter dem Dach. Auch das Gewitter um Mitternacht hat nicht geholfen, genauso wenig wie ein nasses Unterhemd anzuziehen. Am Morgen wachen wir immer noch ohne Decke im nass geschwitzten Bett auf.
Bevor ich auflöse, was das mit dem Lied zu tun hat, fahren wir erst einmal nach Canfranc Estación. Hier steht ein vor 96 Jahren erbauter bombastischer Bahnhof, der schon wenige Jahre nach der Erbauung erst im spanischen Bürgerkrieg und dann danach im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle spielte. Spione, Flüchtende, Schmuggler, das volle Spielfilm-Programm hat sich hier abgespielt!
1970 wegen der Konkurrenz durch Benzinstinker außer Betrieb genommen, bemüht sich der spanische Staat aktuell um Wiederbelebung, allerdings im neuen Bahngebäude auf der anderen Seite des Wegs. Das alte Bahngebäude ist inzwischen ein Luxushotel, und ein alter Waggon jetzt ein Restaurant mit Michelin-Stern.
Sehr schön gemacht, und an einem wunderschönen Fleck Erde. Auch heute ist Wandern leider nicht auf dem Programm, es stürmt und es sind weitere Gewitter angesagt.
Also fahren wir nach Pamplona – weniger als 100 km Luftlinie. Doch was für ein Kontrast! Von 42 Grad in Zaragosa über eine durchschwitzte Nacht, sinkt das Quecksilber auf spärliche 17 Grad und gelegentlichen Nieselregen. What a difference a day makes…
In Pamplona ist gerade erst "San Fermin" vorbei, ein einwöchiges vielseitiges Fest, von dem der Rest der Welt nur die berühmten Bullenrennen kennt.
Das Schöne hier im Norden, oder besser gesagt fast überall in Spanien außer in Madrid, ist die Fahrradfreundlichkeit. So schön, Leute auf dem Rad zu sehen <3 – in Madrid sieht man nur Lieferdienste auf dem Rad, oder Gruppen von mutigen Rennradlern auf den Autobahnstandstreifen.
Die Stadt mit dem Edelweiß-Schmuck ist trotz grau-in-grau Wetter schön, wenngleich mich die überall sichtbare Aggression stört: "Askatu Euskal Herria" liest man hier häufig, "Freiheit für das Baskenland". Ich habe da mangels Wissen wenig Meinung dazu, aber ich fühle mich unwohl an jeder Ecke an den ETA-Terror erinnert zu werden. In Anbetracht der an vielen Stellen in Europa schwelenden ähnlichen Konflikte gibt es aus meiner Sicht nur eine sinnvolle Lösung: Nationalstaaten abschaffen, ein Europa der Regionen stärken. Eine gemeinsame Sprache (Esperanto) neben den vielen regionalen Sprachen lehren. Aber dazu bräuchte es Politiker mit Visionen, und nicht von Putin bezahlte Rechtsaußen-Marktschreier und profillose Merkelscholze.
Bevor die Regenfront durchzieht, verlassen wir die Stadt wieder und fahren Richtung Atlantik.
Am Abend gehen wir noch eine Runde durch den Ort und in eine Bar, wo die Kellnerin fragt, wo wir den herkommen. Madrid? Ach so, klar – darum mein komischer Akzent, sie wusste gleich: Ich bin nicht von hier. Ich finde das viel lustiger, als es ist, und nehme es als Kompliment.
Nachdem es in Pamplona dann doch kühl war, ziehe ich am nächsten Morgen eine lange Hose und ein langärmeliges Hemd an. Ein Fehler, denn die 24 Grad in San Sebastián fühlen sich nicht so kühl an wie erwartet. Die Sonne knallt runter, der Strand in der Bahia de La Concha (Muschelbucht) ist rammelvoll. Wir nehmen das Boot zur Santa-Clara-Insel und genießen den Blick auf die Stadt.
Die Felseninsel ist winzig, und man ist die 40 Meter nach oben zum Haus am Hügel schnell hoch gelaufen. Man sieht von hier die Wind-Kämme, ein Kunstwerk am gegenüberliegenden Ufer, aus Stahl gebogene rostige Krallen.
Hier gibt es eine eigene Eidechsen-Art, ich kann allerdings nicht wirklich einen Unterschied zu anderen Eidechsen erkennen. Das liegt aber ein meinem eigenen Banausentum, sie sind jedenfalls zahlreich und ein Hingucker.
Durch einen dunklen Tunnel aus Bäumen geht es wieder zum Hafen mit Bar und kleinem Strand, und wir setzen über aufs Festland. Die Stadt ist rammelvoll, in Centro, dem Stadtteil, in dem wir sind, gibt es keinen freien Platz zum Mittagessen. So erledigen wir das 20 km weiter westlich in Zarautz an der Strandpromenade.
Auch hier ist der Strand gedrängt voll, und das Wasser sieht viel sauberer aus als in San Sebastián. Jetzt ist es nur noch ein Katzensprung nach Bilbao, der größten und schönsten Stadt des Baskenlandes. Hier wollen wir diesmal ein wenig mehr Zeit verbringen. Der geplante Poolaufenthalt muss allerdings in der Badewanne stattfinden, der Hotelpool ist defekt – sehr schade, wir hatten uns darauf gefreut.
Das Hotel ist in Baracaldo, einer Stadt zwischen Bilbao und dem Meer, de facto ein Stadtteil des Großraums Bilbao. Direkt daneben ist ein interessant angelegtes Gewerbegebiet: Die üblichen Verdächtigen wie Ikea und Media Markt auf einer Straßenseite, auf der anderen ein Parkhaus. Der Clou: Das Parkhaus liegt unter einem schlauchförmigen, 1 km langen grünen Park auf dem Dach. Eine Hausreihe weiter ist auf dem Berg ein weiterer Park, der Jardín botánico (botanische Garten). Hier picknicken wir, und beobachten, wie die Sonne hinter den Hochhäusern absinkt. Sehr schön hier, alles wirklich gut gepflegt. Man merkt, dass durch den starken Mittelstand hier – viele Facharbeiter in der starken Industrie der Nordküste – der Reichtum nicht wie in Madrid bei einem kleinen Prozentsatz der Bevölkerung ist, sondern viel mehr verteilt. Zahlen zu Medianeinkommen und BIP bestätigen das, und auch die deutlich höheren Kosten für Restaurants, Hotels, Maut und Parkhäuser.
Es wird hier viel baskisch gesprochen, ich höre bei den Menschen um uns herum deutlich häufiger baskisch als spanisch. Schön, dass die Sprache nicht ausstirbt.