Unterwegs

Immer auf der Suche nach dem noch nicht Gesehenem

Die Ruinen von Lugo

Am Morgen erwachen wir zu einem komischen Gefühl: Die Haare an den Armen stehen ab, die Decke ist bis zum Kinn gezogen, ein merkwürdiges Zittern am ganzen Körper. Es ist Juli, wir sind in Spanien, und es hat einstellige Temperatur. In den spanischen wie den deutschen Nachrichten liest man von der Hitzewelle, und wir haben ein taufeuchtes Auto. Damit fahren wir im Süden der Stadt Ponferrada eine steile, kurvige Passtraße durch knuffige kleine Dörfer. Ich will zu einem Aussichtspunkt, aber bin mir nicht sicher, ob es Sinn macht: Die Wolken hängen tief, und darin ist die Aussicht bekanntlich wenig spannend.

Las Médulas

Nur knapp unterhalb der Wolken erreichen wir den Parkplatz, es hat 14 Grad und regnet.

Wir sind jedoch wild entschlossen und brechen dennoch auf. Eine gute Idee, denn es hört gleich wieder auf, und nach kurzem Aufstieg blickt man auf eine merkwürdige Formation.

Die Römer haben hier tiefe Goldminen gegraben, und mit riesigem Aufwand über 100 km Gräben und Aquädukte Wasser hierher geleitet. Das Wasser schoss durch die Minen und wusch das Gold heraus, bis zu 60.000 Menschen sollen hier gearbeitet haben. Heute ist der ganze Berg abgeschwemmt, und ein Tal mit Sandstein-Säulen ist übrig geblieben. Faszinierend!

Der Wind treibt die Wolken flott über den Grat, und die Zierkastanien tropfen vor Feuchtigkeit.

Einen übrig gebliebenen Tunnel kann man besuchen, und es macht Sinn, dass wir Helme bekommen – die Decke ist niedrig und hart.

Es geht einen beleuchteten Gang entlang zu einer Biegung, rechts ein dead end nach einer Kuppel, links wird es sehr niedrig. Wenn man hier durchkriecht, erreicht man wohl eine Plattform in der Steilwand. Aber das ist nichts für mich, ich beobachte lieber einen Stalaktiten beim Wachsen.

Als wir den Stollen wieder verlassen, haben die Wolken ein wenig aufgerissen, und vereinzelt scheint tatsächlich die Sonne!

Nur vereinzelt, durch das Tal wandert ein Regenfeld.

Es geht den Pass wieder herab, vorbei an modernen Minen und schönen alten Bäumen zu dem steilen Tal des Río Burbía.

Salto del Pelga

Etwas über 100 Höhenmeter geht es herab zum Bach, der 1920 für ein noch existierendes Wasserkraftwerk aufgestaut wurde. Inzwischen ist es wärmer geworden, und ein Paar, das gleichzeitig mit uns abgestiegen ist springt tatsächlich hinein.

Wir genießen lieber die Aussicht.

Spätestens nach dem Aufstieg zurück zur Straße ist uns warm, aber nur in der Sonne. Beim Mittagessen in Villafranca de Bierzo hat es immerhin knapp über 20 Grad!

Lugo

Wir kommen nach Galicien, wo wir uns die nächsten Tage aufhalten wollen. Die erste Stadt ist Lugo, wo die Römer zu Zeiten Augustus die Eroberung der Region begannen. Heute steht hier natürlich eine Kathedrale, aber viel spannender ist die über 2 km lange Mauer um die Altstadt. Im dritten Jahrhundert zur Verteidigung der inzwischen wichtigen Stadt gebaut, ist der ringförmige, breite Wall wunderbar erhalten.

Man kann ihn nicht nur von unten bewundern, sondern auch bewandern! Ein sandiger Weg einmal rund um die Altstadt lockt nicht nur Touristen, auch die Einwohner der Stadt nutzen den Weg mit der schönen Aussicht.

Doch von hier oben wird sichtbar, was unten nicht so deutlich ist: Obwohl die Bevölkerung der Stadt stabil bei ~90.000 Einwohnern ist, scheint es der Stadt finanziell nicht gut zu gehen. Wohin man schaut verfallene Häuser, eingestürzte Dächer, nur von den Nachbarhäusern noch gehaltene Gebäude.

Vieles erinnert mich an das Leipzig der 90er Jahre, leerstehende Häuser und Ruinen, aber eben auch die andere Seite: Ganz viel wunderschöne Flecken, viel Grün und Bunt, und Aufbruchsstimmung inmitten der Leichen der Immobilienkrise der 00er Jahre.

Nach unserer Umkreisung von Lugo geht es endlich Richtung Meer – die Beste aller Frauen kriegt leuchtende Augen, als die ersten Fjorde sichtbar werden. Rund um A Coruña sind die Hotels teuer, und so buchen wir ein wenig die Küste nach Norden in Pontedeume. Allerdings ist das Hotel nicht unten am Meeresarm, sondern auf 150 m oberhalb. Die Küche hat noch nicht geöffnet, also laufen wir ins Ortszentrum. Der Weg geht unangenehm an der Landstraße ohne Gehweg entlang, und dann zapfig nach unten durch kleine Gassen. Nach dem Abendessen kommen wir genau richtig zum Sonnenuntergang ans Wasser.

Scheinbar zischend taucht die Sonne hinter den Häusern ins Meer, und Gabi ist froh über die in Lugo erstandene Strickjacke. Wir machen uns auf den Heimweg, durch die Gassen hoch, bis man über die Bucht schauen kann.

Jakobsmuscheln weisen den Weg, und diesmal gehen wir nicht den direkten Weg an der Hauptstraße, sondern folgen den Muscheln über den Hügel. Auf 200 Metern ist es wieder hell, wenn nicht noch ein Hügel dazwischen wäre, könnten wir den Sonnenuntergang noch einmal sehen.

Am Hotel angekommen gönnen wir uns noch einen Absacker, und wissen: Es war die richtige Entscheidung nicht hier zu Essen. Die Tapas bleiben größtenteils ungegessen stehen.

Morgen bleiben wir thematisch stabil, wir wollen in die römische Hafenstadt "Brigantium" – heute besser bekannt als "A Coruña".

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