Unterwegs

Immer auf der Suche nach dem noch nicht Gesehenem

Auftanken in Afrika

Die letzten 2 Monate waren wenig ereignisreich. Mit Gips und Krücken, später mit dickem Walker und Krücken in die Arbeit wackeln, Bein hochlagern; abends und am Wochenende praktisch nur im Bett verbracht. Prime und YouTube sind leer geschaut, die Birne ist Matsch. Eigentlich sollten wir gerade in Indien durch die Wüste fahren und die Forts der Seidenstraße besichtigen, aber das ist nun auf Herbst verschoben.

Aber wenigstens eine Woche wollen wir der Monotonie entkommen, und so machen wir etwas, dass ich schon lange (aus gutem Grund) nicht mehr gemacht habe: Wir buchen eine Pauschalreise, All Inclusive, volle Pulle Touristenprogramm. Leider geht das von Spanien aus mit CHECK24 noch nicht, und so müssen wir bei der Konkurrenz buchen – und die Erfahrung ist „underwhelming“.

Einen Vorteil haben die Krücken, wir werden am Flughafen überall durchgewunken und schlappen an allen Schlangen vorbei. Trotzdem ist der Flug ziemlich unangenehm, und es ist klar: Der lange Flug nach Indien hätte nicht funktioniert.

Kurz nach Sonnenaufgang (Ja, wir sind sehr früh aufgestanden) landen wir in Marrakesch, und fahren mit Bus und Taxi zum Hotel. Den Streit mit dem Taxifahrer muss die Rezeption schlichten: Es gibt kein Taxameter, und ich fühle mich über das Ohr gehauen als der Fahrer umgerechnet 15€ für 12km Fahrt will. Aber es stellt sich heraus: Ein Taxifahrer verdient hier zumindest an Touristen in etwa dasselbe wie in Madrid. Bei einem Zehntel des BIP/Nase sind Fahrer hier wohl Topverdiener.

Im Hotel angekommen müssen wir uns erst einmal mit der Terrasse begnügen, das Zimmer ist erst am Nachmittag bereit. Das Hotel ist eine grüne Oase inmitten von Geröll – und Müll. Rund um die Stadt ist die Wüste übersät mit Plastikmüll. Bisweilen verbrennt mal jemand einen Haufen, dann bleibt schwarze Schlacke zurück und stinkender Rauch, es ist ziemlich bedrückend. In der Oase ist es ziemlich schön, es hat angenehme 20 Grad, und entlang der Sichtachse über den Pool sieht man auf den Atlas. Der kleine Pool ist beheizt (Dekadenz, was ist das?), und so verbringen wir die Wartezeit gemütlich. Danach muss der Fußlahme ruhen, und die meiste Zeit des Urlaubs wird diese Ruhe nur vom Buffet unterbrochen.

Marrakesch Medina und Jemaa el fna

Ein wenig ausgeruht geht es am nächsten Tag per Touristenbus in die Stadt. Wir sind ein wenig außerhalb, kurz hinter dem Stadium. Rund um dieses wird gerade ein neuer Stadtteil gebaut: „Sport City“. Die Straßen gibt es schon (inklusive Laternen), aber erst vereinzelt einen Bungalow.

Danach geht es vorbei an einem Palmwald – wobei „Wald“ nicht ganz das richtige Wort ist. Dafür fehlt das Wasser, selbst jetzt – eigentlich sollte der Fluss jetzt höchsten Wasserstand haben – ist das nur eine Anreihung von Pfützen. Irgendwo muss das Wasser für den Pool ja kommen. Ich fühle mich ein wenig unwohl.

In der Stadt ist die Vielfalt erstaunlich, von sehr europäisch und schick über elegant und liebevoll gestaltet arabisch bis notdürftig nahe am Einsturz ist alles dabei. Und trotz Wassermangel ist viel Grün und bunte Blüten zu sehen.

Startpunkt für Besucher und Mittelpunkt des Stadtlebens ist der Platz "Jemaa el fna". Der eigentlich unspektakuläre unregelmäßig geformte Platz lebt von den vielen Marktständen, und leider auch von den zur Schau gestellten Tieren. Schlangenbeschwörer und angekettete, verkleidete Affen werden hier gegen Trinkgeld gequält.

Wir steigen eine steile Treppe auf ein Rooftop-Café und betrachten das bunte Treiben von oben. Wir wählen das Café, das nicht im Rauch des eine Straße weiter verbrannten Mülls liegt.

Was mir gefällt ist, dass hier viele Menschen die traditionelle, an das lokale Klima angepasste Kleidung tragen, die Männer sackartige Kaftane mit stylishen Spitz-Kapuzen.

Danach winden wir uns mit der Menge durch die engen faszinierenden Souks – Straßenverkäufe mit Allem von Messi-Trikots über traditionelle Kleidung, Teekannen, jede Menge Tinnef hin zu Gewürzen und sogar Schnecken. Hier in der Medina (Innenstadt) ist kein Platz für Autos, die Gassen sind schmal. Ab und zu sieht man Eselskarren mit teilweise arg geschundenen Tieren, es sind viele Fahrräder unterwegs, der meiste Verkehr sind aber stinkende Mopeds. Fast überall sind Verbotsschilder, und eigentlich ist gar kein Platz, das hindert aber niemanden.

Ganz im Gegensatz zu Tunesien sind die Verkäufer zwar präsent und laut, aber nicht so lästig aufdringlich, wie ich es dort erlebt habe. Das ist sehr angenehm und macht ein gutes Shopping-Erlebnis: Gabi findet auch gleich Mitbringsel.

Alles ist sehr verwinkelt und labyrinthisch, ohne Handy würde ich mich hier nicht zurechtfinden – aber das war ja auch Sinn der Stadtplanung: Angreifer sollten sich verirren.

Am anderen Ende der Souks kommen wir genau richtig an der Schule vorbei: Feierabend für rauchende Kinderköpfe, ein gut gelaunter, feixender und wuselnder Schwall an kleinen Talenten wird in die enge Gasse gespült – bereits sehnsüchtig von ihren Müttern erwartet.

Gleich dahinter ist das „Maison de la photographie“, ein Museum mit alten Fotografien der Stadt über drei Stockwerke. Sehr gelungen, aber mit den vielen Stufen eine Herausforderung für den humpelnden alten Mann. Man bekommt hier einen guten Eindruck vom Leben der Menschen vor teilweise über 100 Jahren, auf jeden Fall den Besuch wert!

Oben am Dach gibt es ein schickes Bistro, aber leider keine freien Tische. Dafür hat man tolle Aussicht über die Stadt und auf die Gasse.

Wir verlassen danach den Touristenbereich, und werden mehrfach darauf hingewiesen, dass wir in die falsche Richtung laufen. Ich finde es aber viel spannender, hier ist das echte Leben. Am Markt gibt es Gemüse und Fisch – den Fischmüll am Boden will aber nicht mal die Katze, sie riecht an Eingeweiden, würgt dann angewidert und macht sich vom Acker.

Ich kaufe mir ein leckeres Brot, Gabi ist sehr skeptisch, weil das am Tresen rumliegt und die Kunden alles anfassen. Aber es geht gut, der Fluch der Pharaonen lebt in einem anderen Land.

Durch ein doppel-s-förmiges Tor verlassen wir die Medina und überqueren den „Fluss“ – der trocken liegt und aussieht wie die Gegend um die Stadt: alles voller Plastikmüll. Dafür mit bunten Blumen am Betonufer.

Wir lernen: Es gibt zwei Typen von Taxi – petite und grande. Nur Letztere fahren aus der Stadt raus, und nach ein wenig verhandeln einigen wir uns auf 70 Dirham (7€). Ich freue mich über den günstigen Preis, aber wundere mich, warum der Fahrer in die falsche Richtung fährt. Mehrfach deute ich an, dass ich denke, dass er abbiegen müsste, wiederhole den Namen des Ortes, aber der Fahrer behauptet, die Straße sei gesperrt – er wisse schon, wo es lang geht.

5km Richtung Südwesten stehen wir vor einer Mall, und er bedeutet uns auszusteigen. Nein, hier wollten wir nicht hin! Obwohl ich am ersten Tag mit dem Busfahrer den Namen des im Nordosten gelegenen Ortes neben dem Hotel geübt habe („Ouled Berrahmoun“), und auf Google Maps gezeigt habe, wo das Hotel ist, haben wir uns nicht verstanden. Also geht es noch 20 Minuten wieder in die andere Richtung, der Taxler ist sichtlich sauer. Ich zahle bei Ankunft dann 150 Dirham, das besänftigt ihn, und wir verabschieden uns mit Lächeln und Handschlag.

Jetzt bin ich froh, dass ich den Fuß wieder hoch legen kann, und wir nutzen das kostenlose flüssige Schmerzmittel, das hier in Plastikbechern ausgeschenkt wird. Morgen wird geruht, aber ich bin gut gelaunt: Ohne Walker und ohne Krücke über 7km gelaufen – humpelnd und mit vielen Pausen, aber immerhin. Es geht bergauf.

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