Ich bin im selben Gebiet wie letzte Woche unterwegs, diesmal mit der Besten aller Frauen. Wir starten nahe beim Bahnhof von Torrelodones, sind aber leider mit dem Auto unterwegs: Wir hätten 26 Minuten auf den Zug warten müssen und waren zu ungeduldig. Vor allem der Süden von Torrelodones beherbergt die Leute, die um ihre Häuser dicke Mauern brauchen. Es ist wie ein Spaziergang durch die teureren Ecken von Grünwald oder Pullach. Dann biegen wir auf den Weg zum Cerro Gurugú ab, wo ich bereits gelaufen bin, zum Palacio de Panarras. Das Wetter ist wesentlich freundlicher als letztes Wochenende, das Sturmtief Juan hat die letzten Tage den Norden Spaniens unter eine Schneedecke gelegt, und auch die Guadarrama hat etwas abbekommen. Auf dem Weg zum Palast hat man eine umwerfende Aussicht. Richtung Norden sieht man auf die Berge, Richtung Madrid sieht man über die nördlichen Stadtteile der 100.000-Einwohner-Stadt Las Rozas.
Mit dem Tele erkennt man Details, etwa den Golfübungsplatz des "New Madrid Golf Club".
In den Bergen sieht man die schneebedeckten Gipfel der Bola del Mundo und des Cerro de Valdemarín, dazwischen die markante Maliciosa.
Nach dem Palast geht es bergab, ein wunderschöner Wanderweg mit kleinen Bächen, die die Feuchtigkeit der letzten Woche bergab leiten.
Ziel ist die Presa de El Gasco, ein unvollendeter Staudamm am Fluss Guadarrama. Ende des 18. Jhdt. erbaut, wachsen inzwischen Bäume auf der Deichkrone – aber auch auf der nicht ganz so steilen südlichen Flanke des Damms.
Der Staudamm sollte das Wasser für den Beginn eines Kanals liefern, der von hier den Guadarrama hinab, dann über den Manzanares nach Madrid, weiter zum Schloss nach Aranjuez, dann nach Süden Richtung Jaen, und schließlich nach Südwesten über Córdoba nach Sevilla verlaufen sollte. Ein kühnes Unterfangen, das bei Gelingen ähnlich wie der Canal du Mídi in Frankreich eine wichtige Handelsroute geschaffen hätte, vom Atlantikhafen Sevilla bis zu den Steinbrüchen der Guadarrama wäre alles für die damalige Zeit revolutionär einfach erreichbar gewesen – andererseits wurde nur 50 Jahre später die Eisenbahn erfunden. Der Kanal wäre also wahrscheinlich bereits vor oder kurz nach einer Fertigstellung schon weitgehend obsolet gewesen.
Der Bau des Staudamms war begleitet von Schwierigkeiten: Der Planer des Kanals, Carlos Lemaur verstarb mysteriös nur wenige Tage vor der Unterschrift des Finanzierungsvertrages. Seine Söhne verfolgten das Projekt weiter, doch in den 12 Jahren Bauzeit gab es nicht nur finanzielle Probleme. Eine Malaria-Epedemie tötete etliche Arbeiter, es gab (aus heutiger Sicht berechtigte) Zweifel an der Machbarkeit der Pläne, und immer wieder Verzögerungen. 1799 schließlich drang bei einem schweren Unwetter Wasser in das Innere des Damms ein und ein Teil brach ab, daraufhin wurden die Arbeiten endgültig eingestellt.
Geplant war einer der damals größten Dämme der Welt mit einer Höhe vom 93 Metern, doch bereits die 53 vollendeten Meter sind wirklich beeindruckend. Ohne Absperrung kann man hier tief nach unten blicken, mich schüttelt es bei der Erinnerung immer noch!
Wir treffen eine Gruppe Mittzwanziger beim Picknick und unterhalten uns eine Zeit lang mit ihnen. Wir bereden, dass wir nicht nur den leer stehenden Palacio besetzen sollten, sondern gleich in ganz Europa weitere Häuser, und dann ein AirBnB für besetzte Häuser gründen sollten, verbunden durch das Interrail-Ticket. Ein genialer Business-Plan!
Auf dem Weg zurück nach oben überholen wir die drei jungen Wanderer problemlos, werden dann aber selber von einem Rentner überholt, der uns noch erzählt, dass der Palacio seit 20 Jahren unbewohnt ist: Der Besitzer ist verstorben, und die fünf Kinder streiten seitdem über das gemeinsame Erbe. Er empfiehlt lieber nicht zu besetzen, erzählt aber begeistert aus der Zeit, als die hier lebenden Marquis (Markgrafen) hier zu ihren Wochenendhäusern kamen – als wäre er dabei gewesen!
Im Osten zieht eine dicke Wolkenwand auf, ob morgen immer noch so gutes Wetter ist?
Am Stadtrand von Torreledones wird gebaut, ein Neubaugebiet soll den Ort erweitern. Die Besitzer der alten Villen finden das offensichtlich nicht so toll, überall hängen Protestplakate gegen die Zerstörung der Natur – aber dort, wo ihre Häuser stehen, war vermutlich früher auch schöne Natur …
Wir laufen in den Sonnenuntergang durch die schönen Häuser, und nach fast 12 km erreichen wir das Auto. Das ist gut so, jetzt mit der tief stehenden Sonne wird es kurzärmelig doch langsam kühl.
Das war nicht das letzte Mal, dass ich in dieser Gegend wandern war, ich habe noch ein paar Ziele entdeckt, die ich gerne erwandern würde!