Hoch die Hände, Wochenende – und das gleich doppelt. Neben erstem Mai am Montag ist am zweiten Mai noch der madrilenische Stadtfeiertag. 1808 haben an diesem Tag die Bürger von Madrid gewaltsam gegen die französische Besatzung protestiert, der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen, und gilt als der Beginn des spanischen Unabhängigkeitskampfes gegen die Franzosen.
Somit also ein 4-Tage-Wochenende, aber dummerweise am Monatsanfang – sprich: Die Beste aller Ehefrauen sitzt in Deutschland und macht Abrechnung. Also nichts mit Kurztrip ans Meer, aus der Erfahrung habe ich schließlich gelernt, dass allein Urlaub nur zu Verletzung führt. Und um die aus dem letzten Allein-Urlaub resultierende Verletzung zu kurieren, will ich den Knöchel trainieren. Rund um Madrid windet sich ein Alibi-Radweg. Alibi deshalb, weil Madrid eine Auto-Stadt ist, und Radfahren hier schlichtweg nicht vorgesehen ist. Es gibt zwar auf großen Straßen immer lustige Piktogramme am Boden, die die rechte Spur zum Radweg machen, aber ein Bild am Boden sorgt nicht für Sicherheit im Straßenverkehr.
Nun könnte ich natürlich den Radweg mit dem bestimmungsgemäßen Fahrzeug befahren, aber ich will ja den Knöchel trainieren, und nicht das Sitzfleisch. Und somit mache ich mich auf, den Weg per pedes zu erobern.
Tag 1 – Südring
Mit der Metro ligero – einer Trambahn – mache ich mich auf zum Startpunkt am Südwestende des Casa de Campo. Ich bin ohne Gepäck unterwegs, also eine Halbliterflasche Wasser und Handy, ohne Rucksack und Kamera. Das erleichtert das Laufen, aber die resultierenden Bilder sind eben Handyschnappschüsse. Da ich durch die Stadt laufe, ist Nachschub an Getränken kein Thema, selbst an Sonn- und Feiertagen gibt es mit kleinem Umweg immer irgendwo einen Laden, der geöffnet hat.
Es geht durch den Parque de Aluche ganz schön, danach an einer breiten Straße durch die Stadtteile Carabanchel, Abrantes, Orcasitas und Orcasur über viele Kilometer geradeaus. Das klingt schlimmer, als es ist, oft befindet sich entlang der Straße ein Streifen Park. Aber trotzdem, spannend ist es nicht, es ist eben ganz typisches Vorstadt-Wohngebiet. Ganz am Anfang in Aluche war am Vormittag wohl ein Markt am Parkplatz der Metro, und wie immer sieht es danach aus wie Schwein, die Stadtreinigung ist gerade am Aufräumen.
Spannender wird es, als die Avenida de los Poblados, die breite „Dörferstraße“ endlich endet. Ich verlasse den Radweg, der weiterhin entlang einer breiten Straße läuft, und durchquere den schnuckeligen kleinen Stadtteil San Fermín. Hier gibt es eine Siedlung aus sehr schmucken dörflichen Einfamilienhäusern.
Das ursprünglich eher bewölkte Wetter reißt langsam auf, und ich betrete den Parque Lineal entlang des Madrider Stadtbaches Manzanares.
In der "Zauberkiste", der Caja Mágica, ist heute irgendein Tennis-Event, und auf der Rückseite treffe ich wieder auf den Radweg – und Schlangen von Autos, die lärmend und stinkend auf die Parkplätze kriechen.
Es geht jetzt unter der Eisenbahn durch, und hier sieht man mal wieder, dass der Radweg ein von Autofahrern geplantes Alibi-Objekt ist. Der Tunnel ist nicht breit genug für Radfahrer und Autofahrer, also sollen die Radfahrer halt absteigen und auf dem sehr engen Gehweg oder auf der Straße weiter. Abgesenkte Bordsteine, um auf die Straße zu wechseln? Wer braucht denn so etwas?
Auf der anderen Seite verlasse ich den Radweg erneut und gehe stattdessen über den Hügel durch den Entrevías-Park.
Am Ende treffe ich wieder auf den Radweg, eingezwängt zwischen Sportplatz und dem großen Autobahnring der M-40 geht es noch ein kurzes Stück, bis ich nach (je nach Messung – Uhr oder Handy) 16–17 km die S-Bahnstation El Pozo – „der Brunnen“ erreiche. Der Süden ist geschafft!