Unterwegs

Immer auf der Suche nach dem noch nicht Gesehenem

Blau zu Gold

Am nächsten Morgen sind wir gerädert, das Hotelzimmer hatte kein Fenster, und wir haben beide genug "Klimaanlage", um nicht einfach die AC auf kalt zu stellen. Dafür ist das Wetter heute angenehm kühl und dennoch sonnig. Das ist sehr angenehm, denn alles ist noch feucht vom Regen, und wenn es statt 28 Grad wie die letzten Tage deutlich über 30 hätte, dann würden wir vermutlich zerfließen.

Weil die Zugverbindung nicht gut war, haben wir heute einen Fahrer, für etwa 45 € fährt er uns erst zum Fort von Jodhpur, und dann ins knapp 300 km entfernte Jaisalmer.

Das Fort ist nicht nur eine normale Burg, es ist ein Monster von einer Burg. Und je näher man kommt, desto uneinnehmbarer und mächtiger scheint die Burg.

Wenn man über mehrere Kehren vom Parkplatz direkt unter der Mauer ankommt, verstärkt sich dieser Eindruck nur noch.

Trotz der Wehrhaftigkeit der Burg ist der Detailreichtum an allen Ecken und Enden nicht zu übersehen. Das war keine reine Verteidigungsburg, das war der Regierungssitz des mächtigen Rajas von Marwar, einem großen Königreich in Rajasthan mit etwa der Größe Österreichs. Der Name Mehrangarh bedeutet Sonnenfort, und der Sonnenuntergang soll hier spektakulär sein – die Burg ist mehr als 100 Meter über der Ebene herum.

Wir sind wieder mal Blickfang, fast alle Touristen sind Inder. Nicht alle, wir treffen mehrfach unsere Mitfahrer aus dem gestrigen Zug, aber fast alle. Und so wie wir reihum fotografiert werden, muss ich auch ein paar Menschen ablichten. Indische Kinder sehen so putzig aus!

Auf dem Weg nach oben geht es über Innenhöfe und durch viele Palasträume, und auch hier ist buntes Glas freigiebig verbaut und macht entzückende Lichtspiele.

Sowohl innen als auch außen ist alles reich und verschnörkelt verziert. An einer Stelle verziert ein Wespennest die Mauer.

An dieser Stelle teilt sich der Weg auf, Frauen dürfen oben auf der Mauer laufen, Männer gehen innen durch einen naturbelassenen Teil mit See und Kali-Statue. Ziel ist ein Tempel am äußersten Ende des Forts – diesen Teil hätte man sich als Mann sparen können, als Frau hat man aber tolle Aussicht!

Aber auch als Mann hat man vorher von mehreren der Balkone einen weiten Blick. Man sieht auch, warum Jodhpur auch die blaue Stadt genannt wird.

Am Ausgang kann man sich das Fort nachmals in klein ansehen, und wir trinken noch einen leckeren Sweet Lassi, während wir darauf warten, bis Manish (unser Fahrer) uns wieder abholt.

Es gäbe noch ein paar andere spannende Dinge in Jodhpur zu sehen, z.B. den Umaid Bhawan Palace, in dem heute noch die entmachtete, aber steinreiche Königsfamilie wohnt, in dem aber auch ein Hotel und ein Museum sind – Platz genug ist in dem knapp 100 Jahre alten Palast mit 347 Zimmern genug.

Der Kontrast zwischen so viel Macht und Prunk und der normalen Bevölkerung ist erdrückend, als wir Richtung Westen aufbrechen. Es gibt zwar über den Großteil der Strecke eine gut ausgebaute Mautstraße, aber auf dem Weg dorthin und teilweise auch in den Orten sind die Straßen ziemlich schlecht.

Und immer wieder muss großräumig ausgewichen werden, weil Hunde, Ziegen oder Kühe auf der Straße rumlungern.

Die Landschaft bleibt überwiegend sehr flach, und es wird ein wenig steppiger, aber nicht wüstig. Nur an einer Stelle sind neben der Straße eineinhalb Sanddünen zu sehen.

Wir nähern uns der Grenze zum Bruderstaat und Erzfeind Pakistan, bereits in Jodhpur kreisten ständig Militärjets über die Stadt. Vor Jaisalmer, nur noch 50 km vor der Grenze, ist ein großer Truppenübungsplatz (siehe oben), und ein weiterer Indian Air Force Stützpunkt.

Auf dem Weg geht es durch mehrere Dörfer und kleine Städte, aber keine sticht irgendwie heraus. Abgesehen von dem Restaurant gegenüber unseres Mittagessen-Stopps: Maggi darf nicht fehlen!

Nach fünf Stunden Fahrt erreichen wir endlich die erstaunlich grüne Wüstenstadt – die Regierung hat in Rajasthan in den letzten Jahrzehnten massiv in Kanäle investiert, und die Wüste hat ihre goldene Farbe an einigen Stellen verloren. Auf Google Earth kann man das recht gut sehen.

Wenn ich dachte, das Mehrangarh Fort sei beeindruckend, dann belehrt mich die goldene Stadt mit dem Jaisalmer Fort eines Besseren. Das aus gelben Sandstein erbaute Fort erinnert vage an Carcassonne, ist aber immer noch bewohnt und beherbergt die Altstadt. Fast 5 Meter breite, bis zu 12 Meter hohe Mauern umzäunen die Häuser auf dem steilen Hügel, und ich male mir aus, wie beeindruckend das wohl für die Händler der Seidenstraße war. Mitten in der ebenen Wüste, im endlosen Sand und Geröll erhebt sich am Horizont ein Berg aus Mauern. Und trotzdem, 1295 nahm Ala-ud-din Khilji, der Sultan von Delhi, die Burg ein. Unglaublich, wie er das geschafft hat!

Wir sind in einem schicken Hotel mit Rooftop-Blick auf das Fort, aber so richtig genießen können wir nicht. Ich bin zwar immer noch verschnupft, aber fühle mich gut. Gabi hingegen ist ziemlich erledigt, und bekämpft die Pest mit Ingwer-Wasser und scharfem Essen. Morgen haben wir erneut einen Fahrer, der uns in die Wüste bringen soll, wo wir dann ein Zelt bewohnen. Ich bin gespannt und hoffe, dass uns kein Klimaanlagen-Bazillus die Tour versaut!

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