Unterwegs

Immer auf der Suche nach dem noch nicht Gesehenem

Gräber, Tempel und Forts

Bevor wir uns Jaisalmer selber anschauen, besuchen wir erst das Umland. Auf dem Weg zu unserem Wüstenhotel gibt es Einiges zu sehen. Leider nicht nur Positives, die Stadt ist eine Grenzstadt zum verfeindeten Pakistan, hier gibt es viel Militär und wenig Business. Covid war sicher nicht hilfreich, und so ist die Gegend extrem arm. Dafür ist die Straße Richtung Pakistan breit, die Panzer müssen ja im Zweifelsfall schnell rollen. Eine Verbindung zwischen den Staaten gibt es hier nicht, die Grenze ist dicht.

Unser erster Stopp ist der Ehrenfiredhof Bada Bagh. Hier sind zu Ehren der lokalen Könige Pagoden errichtet worden mit Grabsteinen, allerdings liegen die Könige nicht hier. Farblich ist das ebenso beeindruckend wie handwerklich. Alles ist ockerfarben und leuchtet in der Sonne kräftig. Auch hier ist wie fast an jeder Sehenswürdigkeit gerade eine Hochzeitsfoto-Session am Laufen, Braut und Bräutigam müssen aufeinander zugehen, während die Drohne langsam heranfliegt. Wedding Photos sind hier in Indien big business, und es wird sehr professionell (und entsprechend teuer) zelebriert.

Leider ist alles in sehr schlechtem Zustand, über die Jahrhunderte ist schon die ein oder andere Pagode eingestürzt. Inzwischen versucht man offensichtlich weiteren Verfall zu verhindern, ich sehe Stahlklammern, die lockere Steine zusammenhalten.

Ein Hippie-Paar steht auf dem Hügel nebenan und betrachtet die Szenerie von oben, im Tal unterhalb steht noch das Wasser von dem Gewitter vorgestern. Das werden wir heute mehrfach sehen, selbst am Abend in der Wüste ist es stellenweise schlammig.

Die ältesten Pagoden sind 500 Jahre alt, die Neuste wurde wegen der Demokratisierung nicht fertiggestellt. Das ist ein richtig besonderer Ort, so schöne Details und Farben!

Jainismus ist eine hier in der Wüste sehr verbreitete, uralte Religion. Grundpfeiler sind Askese, Vegetarismus und Frieden, und wir besuchen einen Tempel in Amar Sagar. Frauenrechte sind kein Grundpfeiler, menstruierende Frauen sind unrein und dürfen nicht herein. Männer…

Hinter dem Tempel ist im Stausee auch wieder Wasser, und die Frauen des Dorfes treffen sich hier zum Ratsch.

Im Tempel ist wieder extrem detaillierte Steinarbeit zu sehen, und es ist kaum zu verstehen, wie man diese riesigen Kuppeln aus einem Stein heraushauen kann.

In dem Tempel steht eine Statue, die wie Ganesha aussieht (Elefantenkopf), aber der Priester erklärt uns auf meine verwunderte Frage, dass das nicht Ganesha ist, sondern … ich habe ihn nicht verstanden. Es ist eigentlich auch egal, die Religionen kopieren eh wild durcheinender.

Jetzt wird es wirklich mystisch, in Kuldhara lebten die Vorfahren unseres Freundes Hirdesh, die Paliwal-Familie. Die Paliwals waren nicht wirklich eine Familie, sondern eher eine Gruppe von Familien aus der in der Nähe von Jodhpur liegenden Stadt Pali. Sie gehörten der Brahmanen-Kaste an, und waren somit sozial sehr hoch gestellt, und siedelten vermutlich im 12. oder 13. Jhdt. hierher um. Insgesamt 84 kleine Orte hier in der Gegend sollen sie bewohnt haben, aber es ist viel Legende dabei, und vermutlich war alles etwas banaler. Die Legende sagt: Der Minister Salim Singh soll sich Ende des 19. Jhdts. in ein Mädchen aus Kuldhara verliebt haben, und Truppen geschickt haben um das Mädchen zu rauben. Die Dorfbewohner baten die Truppen, bis zum Morgen zu warten, und verschwanden über Nacht spurlos, nicht nur in Kuldhara, sondern auch aus den 83 anderen Orten. Sie verfluchten die Orte, und so traute sich niemand, hier später zu siedeln.

Wahrscheinlicher ist, dass die Brunnen der Gegend wegen Übernutzung und Dürre austrockneten, und die Menschen die Gegend schleichend verließen, aber die erste Version ist natürlich dramatischer!

Die Jungs auf dem Foto begrüßen mich freundlich, und jeder braucht ein Selfie mit dem komischen Weißen mit indischer Kleidung.

Aus einem Raum kommt eine junge Frau kreischend heraus, da muss ich doch mal nachsehen! Der dunkle Raum ist voll mit Fledermäusen, aber er ist eben auch sehr dunkel. Mit dem Handy bekomme ich ein Bild hin, dass mit viel RawTherapee-Magie einen Blick auf die fliegenden Mäuse zulässt. Ich will ja die Tiere nicht mit Licht verschrecken, die brauchen auch Ihren Schlaf.

Ich wandere noch ein wenig durch die ockerfarbene Ruinenstadt, und immer wieder blitzen rote Steine aus dem Boden.

Im Laufe des Tages werden wir in der Gegend noch mehrere solcher verlassenen Dörfer finden, gespenstisch!

Am Ausgang hat jemand einen Jurassic Cactus Park gebaut, hier sind wirklich schöne Exemplare zu sehen:

Auf einem der Kakteen sitzen Heuschrecken – in der Mega-Variante. Fast so lang wie meine Hand, und kein bisschen scheu – unser Taxifahrer Razul piekst eine mit dem Finger an, und sie krabbelt nur ein Stück zur Seite.

Unser letzter Stopp ist das Khaba Fort, eine kleine königliche Villa auf einem Hügel mit guter Aussicht und schönen Verzierungen. Und die Königin sitzt dort noch und sieht entzückend aus!

Was es mit dem dunklen Bild auf sich hat? Das ist ein Raum, in dem unten viele Köttel liegen, weil an der Decke was abhängt: Auch hier gibt es Fledermäuse, und es ist noch dunkler. Die Software muss wieder zur Hilfe kommen. Die ersten drei Bilder sind mit dem Handy geschossen, die anderen deiden mit der Kamera auf Blende -5. Erstaunlich, wie viele Details übrig bleiben, wenn man dann in der Software wieder fünf Blenden hochschraubt.

Nun ist aber genug für heute mit verzierten Häusern, wir essen in einem Straßenrestaurant und lassen uns ins Hotel fahren. Wir wollen ja noch ein bisschen Wüste genießen – aber das packe ich in einen anderen Artikel.

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