Unterwegs

Immer auf der Suche nach dem noch nicht Gesehenem

Chaostage in München

Über die Feiertage Anfang Dezember fliege ich beruflich bedingt eine Woche mit zwei Kollegen nach München. Praktischerweise schneit es ausgerechnet in der Nacht vor meinem Flug 40cm, und mein Flug wird über Nacht schon gecancelt. Ich kann nach stundenlangem Warten in der Telefonschlange einen Flug am nächsten Tag über Frankfurt ergattern, aber auch hier geht von Anfang an schon nichts richtig. In dem Haupttunnel der S-Bahn in Madrid ist vor einer Woche ein Zug entgleist, und obwohl die Strecke eigentlich repariert sein soll, bleibt meine S-Bahn vor dem Tunnel in Atocha stehen. Aber ich muss mir keinen Stress machen – einerseits fährt von hier ein Shuttlebus zum Flughafen, andererseits ist der Flug schon 1h verspätet.

Mein Anschluss in Frankfurt wird eng, ich bitte am Gate darum, umgesetzt zu werden – ich sitze fast ganz hinten, weil die Check-In Funktion von Lufthansa defekt war und ich am Flughafen einchecken muss. Keine Chance, und die Verspätung wird auch nicht besser. Im Anflug auf Frankfurt frage ich mehrfach nach dem Anschlussflug: Kein Problem, ich soll am Flughafen zügig wechseln, dann erreiche ich den Flieger.

Ungeduldig warte ich, bis die 30 Reihen vor mir aussteigen, und renne einmal quer über den Frankfurter Flugahfen – nur um am Ziel zu sehen, dass der Flieger bereits weg war, als wir gelandet sind. Danke dafür.

Ich kucke, wann der nächste Flug geht, und geht statt zum Service direkt zum Gate. Dort ist ein fähiger Mitarbeiter, der mich umbucht und auf die Warteliste setzt. Die Liste ist zwar lang, aber dafür kommen viele andere Fluggäste nicht an, weil absolutes Flugchaos ist – verständlich, dass in Frankfurt Chaos ist, weil es in München geschneit hat.

Ich schaffe es tatsächlich in den Flieger, und wir landen in München. Als der Flieger zum Stehen kommt, stehen alle auf, doch nach einer Minute kommt eine Durchsage des Kapitän: Alle wieder hinsetzen, wir stehen auf einer Parkposition abseits, und es gibt weder Leiter noch Busse. So zieht es sich eine Weile, alle 15 Minuten gibt der Pilot eine mal zu mal genervtere Durchsage – scheinbar sind alle Gates eingefroren und unbenutzbar, und es hat keiner daran gedacht sich um die Leitern zu kümmern. Es stehen zwar ein paar rum, aber die sind total eingeschneit. Vermutlich fehlt es auch an Personal, denn die S-Bahnen außer der S8 sind außer Betrieb.

Nach fast 2 Stunden Warten tut sich endlich etwas: Die Feuerwehr kommt mit ihren Leitern und befreit uns aus dem Flugzeug.

Mit 36 Stunden Verspätung komme ich statt Samstag Mittag am Sonntag spät Abends ins Münchner Zuhause – wo meine Frau mit gebrochenem Handgelenk wartet. Sie ist am Tag zuvor auf einer vereiste Treppe ausgerutscht, und wird nicht wie geplant nächstes Wochenende mit nach Madrid kommen, sondern operiert werden.

Einer meiner Kollegen landet dann gegen Mitternacht, bei ihm bleibt die S-Bahn in Ismaning stehen, und er muss ein Taxi nehmen. Der andere Kollege wird mehrfach umgebucht, und storniert schließlich. Das ist gut so, denn er wäre über Valencia geleitet worden, und der Flug von dort nach München wurde gecancelled.

Am Montag morgen ist Winterwunderland.

Wir haben ein paar produktive Tage im Münchner Office, und am Freitag geht es zurück. Die Rad- und Gehwege sind immer noch nicht geräumt, die Straßen waren Montag schon tippitoppi. Das Ergebnis: In den Krankenhäusern ist Chaos, die OP meiner Frau wird nachdem sie 18h nichts trinken durfte wegen Überlastung abgesagt und auf den nächsten Tag verschoben. Geld sparen bei den Winterdiensten sorgt halt für Extraausgaben in Krankenhäusern. Ich kenne mich nicht aus, aber ich wage die Behauptung, dass – von den Schmerzen der Verletzten nicht zu sprechen – die Folgekosten der vielen Brüche deutlich höher sind als die Einsparungen bei den Winterdiensten.

Währenddessen stehe ich mit einem Freund, der uns – jetzt nur noch mich – nach Madrid begleitet in der Schlange vor der Schlange an der Security. Auch hier ist die Reserve Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen, über eine Stunde stehen wir alleine vor der Sicherheitskontrolle. Unser Flieger geht ohne uns, und so machen wir uns auf den Weg zum Lufthansa-Service. Dort warten wir wieder über eine Stunde, und werden erst über Lissabon mit Übernachtung gebucht. Dann findet er doch noch einen Direktflug.

Am Gate muss ich dann dafür sorgen, dass mein Koffer auch mit auf den Flieger kommt, und stehe glücklicherweise als Erster dort. Mein Koffer ist kein Problem, aber meinen Kollegen hat man zwar auf den Flug gebucht, aber das Ticket lautet noch auf Lissabon – nach 20 Minuten Hin- und Hergeklicke und gestressten Telefonaten steht fest: Mein Kollege fährt wieder nach Hause und kommt morgen, ich darf mitfliegen. Und hinter mir stehen noch 20 Leute, die ebenfalls wegen des Chaos den Flug verpasst haben und auch noch abgefertigt werden müssen.

Wenn man verreist, dann erlebt man was…

Nebenbemerkung: Neoliberalismus ist eine ganz große Sche***e, wenn der Staat kein Geld hat und alles auf absolute Effizienz im Normalbetrieb runtergespart ist, dann verursacht jede Abweichung vom Normal ein totales Chaos. "Früher war alles besser" ist eine Illusion, aber als es 2003 über einen Meter geschneit hat und in München sechs volle Monate Schnee lag, da hat das noch viel besser funktioniert. Der Staat hat viel Geld gespart, indem er sein Personal und seine Aufgaben verringert hat. Mehr Geld ist beim Bürger aber nicht da, weil dafür Steuern für Unternehmen und die Top-1% gekürzt wurden, und jetzt viel mehr Menschen ohne Arbeit sind und Unterstützung von Staat brauchen. Ayn Rand und ihre Mitstreiter haben mit ihrem sozialdarwinistischen "Lean State" und ihrem "Drain the beast" aus meiner Sicht einen gigantischen Schaden angerichtet, und überall in den westlichen Staaten sieht man nun die Folgen: Infrastruktur ist veraltet, kaputt; Reserven sind kaum da, die Staatskassen sind leer, aber die Steuern für den Großteil der Bevölkerung nicht weniger geworden.

Aber das ist kein Politikblog, darum ist jetzt Schluß mit Gejammer. Schließlich bin ich inzwischen wieder in Spanien, und hier ist es zwar nicht Sommer, aber wenigstens sonnig!

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