Unterwegs

Immer auf der Suche nach dem noch nicht Gesehenem

Forts, Schlösser und Tempel

Nach unserer ersten Nacht in Indien erwachen wir zu Gelächter – im Park gegenüber des Hauses trifft sich morgens eine Gruppe zur Lachtherapie. Kurz darauf hört man alle 10 Sekunden jemanden laut "uaaah!" rufen. Wir lernen: das sind die Straßenverkäufer, die mit Karren voll Obst, Gemüse oder anderen Dingen des täglichen Bedarf von Haus zu Haus laufen.

Wir machen heute die Fort-Runde, und besuchen die Burgen der lokalen Könige. Wir beginnen mit dem Amber Fort nahe der alten Hauptstadt Amber City. Im 18. Jhdt. hat der König die Stadt Jaipur unten im Tal bauen lassen, weil er für seine astrologischen Instrumente eine Ebene benötigt hat.

Die Fahrt ist indisch-chaotisch mit viel Hupen, und ich bin ein wenig verkrampft, alles ist auf Zentimeter berechnet, und die "Autos" – von den Touristen Tuktuk gennant – haben keine Knautschzone.

Das Fort liegt oben am Pass bei einem Stausee, und spiegelt sich wunderschön darin. Oben auf dem Berg sieht man bereits die anderen Forts, die wir später besichtigen werden.

Bevor wir zum Fort kommen, besuchen wir aber erst einen Stufenbrunnen und den Tempel. Der Stufenbrunnen wird vom Regen gefüllt, und war früher hoffentlich nicht ganz so grün. Inzwischen ist er nur noch am Boden befüllt, um den Touristen die Bauweise zu zeigen.

Die Stufen erlauben bei jedem Wasserstand einfachen Zugang zum Wasser ohne auf eine Seilkonstruktion angewiesen zu sein.

Bei niedrigem Wasserstand gibt es unten auch eine überdachte Plattform für festliche Angelegenheiten wie Hochzeiten, ein Brautpaar lässt sich dort gerade fotografieren. Darum zeige ich nur das Dach mit Blick zu unserem nächsten Ziel, dem Tempel.

Ich erfahre jedoch kurz darauf, dass es überhaupt kein Problem ist, Leute zu fotografieren; im Gegenteil, ich werde heute mehrfach erleben, dass Leute uns hemmungslos fotografieren, oder mit uns Selfies machen wollen.

Der Tempel ist reich verziert, und mir fällt auf, wie tief religiös die indische Gesellschaft ist. Anders als in Deutschland, wo religiöse Gesten immer seltener werden, ist das Land noch tief in den Zwangshandlungen der religiösen Rituale. Die Bewegungen und Gebete sind fester Bestandteil der Kultur.

Das Fort hat nach dem engen, gewundenen Eingang mit den Verkäufern einen sehr weiträumigen unteren Innenhof.

Über eine Treppe geht es nach oben zum oberen Innenhof, in dem der König Hof hielt.

Man sieht hier gut zu der 13 km langen Mauer, die die Stadt beschützt, und die nach der chinesischen Mauer und einer anderen Mauer in Indien die drittlängste Mauer der Welt ist.

Man erkennt jetzt auch, was das rechteckige Gebäude im Stausee ist – es sind die königlichen Gärten!

Die Inder sind genauso selfie-süchtig wie die Chinesen, und so müssen wir andauernd posieren – zugegebenermaßen ist der belgische Spiegelsaal aber ebenso einladend für Fotos wie die wunderschön bedruckten Alkoven.

Es geht jetzt ins Innerste des Forts, und der Guide klärt uns auf, dass Hindus natürlich nur eine Frau brauchen, weil sie ja wiedergeboren werden. Aber der König musste ja mehrere Frauen haben, um Frieden mit den umliegenden Reichen zu schließern. Und das Schlafzimmer des Königs war über einen Geheimgang mit den Zimmern der Frauen verbunden, damit niemand sehen konnte, welche Frau seinen Favoritin war. Es ist immer wieder lustig zu hören, wie wir Menschen versuchen, uns die Unlogik unseres Handels zu erklären.

Auf dem Weg nach draußen sehen wie die ersten Affen hautnah – wir haben schon gestern am Straßenrand mehrere Horden gesehen, aber jetzt sitzen sie direkt neben dem Weg auf der Mauer.

Die Mama ist wie bei uns Menschen sichtlich erschöpft und am Ende Ihrer Nerven.

Wir fahren den Pass wieder herunter zum Man Sagar Lake und bewundern das Jal Mahal, den Seepalast. Auf dem Weg überholen wir einen Elefanten, und Gabi sieht das erste Mal in ihrem Leben einen Elefanten außerhalb des Zoos.

Nach einem erneut sehr leckeren Mittagessen besuchen wir die zwei wichtigsten Handwerkskünste Jaipurs: Blockdruck und Edelsteinverarbeitung. Man versucht uns einen Rubin für über 1000€ zu verkaufen, aber wir "müssen drüber nachdenken und kommen morgen wieder".

Wir fahren jetzt auf den Hügel hoch zu dem Fort, dass über dem Amber Fort liegt, im Gegensatz zum Amber Fort ist/war das hier eine Kaserne, und wichtigstes Ausstellungstück ist die größte gegossene Kanone der Welt – nicht so groß wie die dicke Bertha, aber so schwer, dass es 6 Personen brauchte, um sie zu drehen. Zum Bewegen griff man dann auf 4 Elefanten zurück. Weil es mich nicht beeindruckt, dass man damit auf 35km Entfernung Menschen und Dinge kaputt machen kann, fokussiere ich mich lieber auf die schöne Architektur und die Aussicht.

Die 5-farbige Flagge ist die Flagge der königlichen Familie, die zwar keine politische Funktion mehr hat, aber sich die Tränen darüber mit Geldscheinen abwischt. Das kleine Sanktuarium inmitten der Mauern ist naturbelassen und gefällt mir sehr. Noch mehr, als ich darin einen Kingfisher rumhüpfen sehe – die lokale Variante des Eisvogels sieht ein wenig anders aus als bei uns.

Hier im Fort lebt eine andere Affenart, ich vermute es sind Gibbons, und ihre tiefschwarzen Gesichter fordern die Kamera heraus.

Auf dem Weg zum dritten Fort – erneut eine ursprünglich von einem König bewohnte Burg – sehen wir bereits viele Menschen neben der Straße, die auf das Schauspiel warten: Die Burg liegt am Ende des Hügelrückens, und unten im Tal windet sich die Stadt einmal um den Hügel herum, scheinbar endlos weit in die Ebene hinaus reichend. Zuerst müssen wir aber an den pavianartigen Affen vorbei, ich taufe sie mangels besseren Wissens "Kirchenglockenaffen". Bei näherem Hinsehen wird sich Dir der Name erschließen…

Oben angekommen startet das Schauspiel: Die Sonne verschwindet farbenprächtig in der Dunstglocke über der Stadt, die meiner Lunge ziemlich zusetzt – je dreckiger die Luft, desto schöner der Sonnenuntergang, das kennen wir ja von zu Hause…

Mit dem Untergang des orangen Balles beginnen unten die Moscheen ihre Rufe – aus allen Richtungen leieren die Imame ihre Gebete lautstark herunter, das wirkt sehr gespenstisch, und übertönt sogar das Grundrauschen der ewig hupenden Autos.

Zurück bei unserem Freund gibt es wieder sehr gutes Essen, die legendären indischen Gewürze versprechen nicht zu viel. Das schmeckt noch viel besser als beim Inder in Europa. Jedes Gericht ist ein Highlight für sich!

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